Change

Instrumente für den Change in Unternehmen

Ressourceneffizienz ist der beste Klimaschutz: Je weniger Rohstoffe für Energie- und Materialproduktion benötigt werden, desto weniger belasten diese Klima, Umwelt und Gesundheit. Dieses Motto gilt auch für das Changemanagement in Unternehmen. Wer Produktion, Produkte und Dienstleistungen ressourceneffizienter und damit klimafreundlicher machen will, kann inzwischen aus einer ganzen Reihe von Werkzeugen wählen, wie sie z. B. die Effizienz-Agentur NRW anbietet.

Von Ralf Bindel

Wie es aussieht, wird Deutschland sein Klimaziel für 2020 nun doch erreichen: 40 Prozent weniger CO2-Emissionen gegenüber 1990. Grund: der Corona-Lockdown der Wirtschaft im Frühjahr 2020. Für knapp zwei Monate wurde nur noch die „systemrelevante“ Wirtschaft aufrechterhalten, um die exponenzielle Ausbreitung der Pandemie zu verhindern. Ein so erreichtes Ziel ist dennoch kein Grund zum Feiern. Viele Wirtschaftsbereiche brachen ein, die Kurzarbeit in vielen Maschinenbaubetrieben wird verlängert, viele Menschen haben Existenzsorgen.

Dennoch bestätigt dieser Krisenmoment einen zentralen Lösungsansatz, wie sich der Klimawandel erfolgreich und konsequent begrenzen ließe: Verbrauchen wir weniger Ressourcen, belasten wir Atmosphäre und Umwelt mit geringeren Folgen. Hohe Ressourceneffizienz und Rohstoffproduktivität zählen also zu den wirksamsten Klimaschutzfaktoren. Produzieren Unternehmen effizienter und systemrelevanter, lässt sich ihr Treibhausgasausstoß deutlich reduzieren.

Dass dieser Ansatz auch ohne coronabedingten Einbruch der richtige ist, aber breiter werden muss, zeigt auch der im August 2020 erschienene Klimaschutzbericht der Bundesregierung für 2019. In diesem Jahr hat Deutschland rund 35,7 Prozent weniger Treibhausgase ausgestoßen als 1990, die Minderung lag 2017 noch bei nur 27,5 Prozent. Treiber dieser Entwicklung war ein gestiegener CO2-Preis, der fossile Energien wie Kohle verteuerte. Die Energiewirtschaft stellt zunehmend auf ressourcenschonende, regenerative Energieerzeugung um. Den zweitgrößten Minderungsbeitrag leistete die Industrie: Bis Ende 2020 könnte sie die CO2-Äquivalente um 39 Prozent gegenüber 1990 reduziert haben. Sorgenkind ist dagegen der Verkehr, dessen Emissionen sogar noch steigen, statt zu sinken: 2019 um weitere zwei Prozent mehr CO2 gegenüber 1990.

Ressourceneffizienz ist Zukunftssicherung

Um das bundesdeutsche Klimaschutzziel von 55 Prozent bis 2030 zu erreichen und Wirtschaft und Gesellschaft krisenfester zu machen, müssen die Emissionen in kurzer Zeit stark fallen. Das geht nur durch Ressourceneffizienz, Kreislaufwirtschaft und erneuerbare Energiequellen, wofür wiederum neue und seltene Rohstoffe erforderlich sind.

Damit gerät der Rohstoffverbrauch zunehmend in den Blickpunkt der öffentlichen Debatte. War die Diskussion in der Vergangenheit häufig von der Sorge um die Versorgungssicherheit geprägt, sind inzwischen weitere Nachhaltigkeitsaspekte ebenso bedeutend – wie ökologische und soziale Folgen. Weil die Gewinnung von Rohstoffen wie Kohle, Erz und Naturstein immer mit einem Eingriff in die Natur verbunden ist, gefährdet sie Ökosysteme, Gewässer und Klima. Hinzu kommen Preis- und Lieferrisiken bei so genannten strategischen Rohstoffen wie Energierohstoffen und wichtigen Metallen.

Immer deutlicher wird auch, wie stark der weltweite Ressourcenbedarf die Bemühungen um den Klimaschutz beeinflusst. So gehen nach Schätzungen des International Resource Panels der Vereinten Nationen (UNEP IRP) ungefähr fünfzig Prozent der globalen Treibhausgasemissionen auf die Gewinnung und Verarbeitung von fossilen Brennstoffen, Biomasse, Erzen und Mineralen zurück. Ein Einhalten des im Pariser Klimaschutzabkommen festgeschriebenen Ziels, die Erderwärmung auf möglichst 1,5 Grad Celsius zu begrenzen und spätestens bis zur zweiten Hälfte des Jahrhunderts Treibhausgasneutralität zu erreichen, ist also ohne Rohstoffeffizienzmaßnahmen gar nicht möglich. Vor allem, weil für Klimaschutzmaßnahmen auch zusätzliche Rohstoffe eingesetzt werden müssen, um Energie-, Wärme- und Verkehrswende umzusetzen, ebenso wie für die sie unterstützende Digitalisierung und ihre möglichen Rebound-Effekte.

So läuft unter dem Stichwort Industrie 4.0 eine vierte industrielle Revolution, die zu erheblichen Steigerungen der Energie- und Ressourceneffizienz führen kann – gleichzeitig führt die Digitalisierung aber auch zur Zunahme von Datenverarbeitung, -speicherung und -transport sowie zu wachsenden Infrastrukturen und damit erhöhten Ressourcen- und Energieverbräuchen.

Unternehmen als Schlüsseakteure

„Für Unternehmen gibt es zahlreiche Möglichkeiten, ihre Ressourceneffizienz sowohl auf der Produkt- als auch auf der Prozessebene zu steigern“, heißt es im ProgRess-III-Programm der Bundesregierung. Das soll bis 2023 in dritter Auflage für eine weitere Steigerung der Rohstoffproduktivität sorgen – um Naturverbrauch und Wohlstandswachstum zu entkoppeln. Gerade die Digitalisierung dürfe jedoch nicht getrennt von der Ressourceneffizienz betrachtet werden.

Für den Ressourcenschutz in Wertschöpfungsketten und Stoffkreisläufen setzt ProgRess III neben einer verantwortungsvollen Rohstoffversorgung vor allem auf eine ressourcenschonende Produktgestaltung, eine ressourceneffiziente Produktion und auf Kreislaufwirtschaft als Instrumente zur Verbesserung – neben weiteren Maßnahmen für Konsum, Alltag bis hin zur internationalen Ebene.

In der Effizienz-Agentur NRW (EFA) gehören diese Instrumente seit vielen Jahren zum Standardprogramm. Bekannt geworden ist die Agentur vor über zwanzig Jahren mit der Beratung zum PIUS-Check zum produktionsintegrierten Umweltschutz und der Finanzierungsberatung, hinzu kamen Instandhaltungs-Check und die Ressourcenkostenrechnung RKR. Seit einigen Jahren liegt der Schwerpunkt auf der Ressourceneffizienz 4.0 mit den Möglichkeiten durch Digitalisierung und Circular Economy sowie auf Tools zur ressourceneffizienten Produktentwicklung (ecodesign) und zur umfassenden CO2-Bilanzierung ecocockpit. Verbreitung finden die Ressourceneffizienzthemen über zahlreiche Veranstaltungen und Schulungen.

Die Beraterinnen und Berater der Agentur haben auch während der Krise die Erfahrung gemacht, dass das Thema Ressourceneffizienz in den Unternehmen angekommen ist – und es trotz angespannter Situation zur Fortentwicklung genutzt wird. „Auch wenn in einigen Betrieben laufende Ressourceneffizienz-Projekte zunächst zurückgestellt sind“, berichtet der Leiter der EFA, Dr. Peter Jahns, „nutzen viele Unternehmen die Zeit, um sich mit dem Thema CO2-Reduzierung auseinander zu setzen“. So registrierten sich ungewöhnlich viele Unternehmen für das CO2-Bilanzierungstool ecocockpit. Auch die Webinar-Angebote kommen gut an. Großes Thema seien natürlich Finanzierung und aktuelle Förderangebote. „Hier sind unsere Finanzierungsprofis täglich gefragt. Wir versuchen, die Probleme zu lösen oder vermitteln unsere Kunden an weitere Stellen.“

Ressourceneffizienz 4.0 und CO2-Bilanzierung

Videokonferenzen hätten sich als zentrales Mittel für die Kommunikation in der Krise etabliert, meint Andreas Kunsleben, Leiter des Geschäftsfelds Beratung der EFA, wenn klassische Vor-Ort-Besuche und Betriebsrundgänge nur eingeschränkt stattfinden könnten. Verstärkt würden Zukunftsthemen an die Beratung herangetragen. „Die Frage nach dem ‚Wie kann es weitergehen?‘, also nach Nachhaltigkeit und Resilienz hängt natürlich stark mit unseren Kernthemen Ressourceneffizienz 4.0, Ecodesign und der Schließung von Stoffkreisläufen zusammen, der Circular Economy“, so Kunsleben. In den Unternehmen ließe sich eine teils dramatische Beschleunigung der Digitalisierung im Sinne wirklicher Transformationsprozresse beobachten, die auch Bestand haben werden. „Hier bietet unser Ressourceneffizienz 4.0-Angebot die Möglichkeit, Transparenz herzustellen, neue Lösungen zu entwickeln und Flexibilität zu gewinnen. Durch ecodesign können neue Produkte, Leistungen und Geschäftsmodelle – natürlich unter Einbeziehung des digitalen Wandels – entwickelt werden, die Zukunftsfragen konkret beantworten.“ Das Interesse an Zukunftskonzepten sei ein Trend, der auch nach der Krise anhalten werde, ist Kunsleben überzeugt. „Die Unternehmer werden ihre Lehren ziehen und handeln.“

Das CO2-Bilanzierungswerkzeug ecocockpit der EFA ist seit kurzem in einer neuen, verbesserten Version online. Das webbasierte Online-Tool der Effizienz-Agentur NRW gibt es seit 2015, es ermöglicht Unternehmen und Organisationen in wenigen Schritten eine kostenfreie erste CO2-Bilanz, die entsprechend vertieft werden kann. Inzwischen nutzen über 1.500 Betriebe das Instrument regelmäßig – und haben mit dem Update weitere und genauere Analysemöglichkeiten. „Gerade in der durch Covid-19 verursachten Wirtschaftskrise haben Online-Tools wie ecocockpit einen unschlagbaren Vorteil“, sagt Andreas Bauer-Niermann, Projektleiter der EFA. „Man kann sie kontaktlos aus dem Büro oder Homeoffice heraus nutzen, erhält Ergebnisse und kann mit diesen weiterarbeiten.“ Die Nachfrage sei weiter gestiegen, ohne größere Werbung. Allerdings sei für den Erfolg des Tools auch der angeschlossene Support für die Nutzer wichtig. „Ein gutes Tool allein bringt noch keine bessere CO2-Bilanz und keine zufriedenen Nutzer.“

Im Vergleich der kostenlos verfügbaren CO2-Bilanzierungstools sticht das EFA-Angebot heraus: Zwar haben sich viele auf einzelne Bereiche spezialisiert und liefern dort gute Ergebnisse, doch mit ecocockpit lässt sich der Bilanzrahmen flexibel wählen. Nutzer können für die Treibhausgasbilanz alle drei Verursacherbereiche, die so genannten Scopes, erfassen: Also nicht nur die direkten und indirekten Emissionen des eigenen Betriebs wie durch Wärme und Strom, sondern auch die Emissionen der Zulieferer für Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe. In der Regel bilden gerade diese den größten Anteil an den Emissionen. Auf diese Weise kann nicht nur eine Bilanz für den Standort, sondern auch für die Produkte entstehen. Beide sind interessant für interne Verbesserungen oder für Kunden und Lieferanten, um ihrerseits zu reagieren. „Eine CO2-Bilanz ist wie eine Reise. Durch sie kommt es häufig zu Aha-Erlebnissen ‚Soviel emittieren wir also.‘ und der Frage ‚Muss das so bleiben?‘“, erklärt Bauer-Niermann. Genau diese Fragen führten zu nachhaltigen und weitreichenden Veränderungen. „Das reicht von der Prozessoptimierung, z. B. mit Hilfe der Ressourceneffizienzberatung bis hin zur Evolution oder gar Revolution der eigenen Produkte, wie z. B. durch ecodesign.“

Ressourceneffiziente Produkte entwickeln 

Langlebigkeit, Reparierbarkeit, Ersatzteilservice, Recycling sind Kriterien, die für eine ressourcenschonende Kreislaufwirtschaft unabdingbar sind. Auch die politischen Rahmenbedingungen ändern sich zunehmend in diese Richtung. So die Ökodesign-Richtlinie der EU, die schon zum „Aus“ von Glühbirne, Halogenlampe und verbrauchsintensiver Staubsauger geführt hat. Die Bundesregierung will in Zukunft weitere Produktgruppen hinzunehmen – dauerhaftes, reparatur- und kreislauffähiges Design könnte langfristig zur Norm werden, schließlich bestimmt es zu 80 Prozent die Wirkung des Produkts auf Kosten und Umwelt.

Mit Ecodesign-Strategien im Produktentwicklungsprozess können Unternehmen umweltschonendere Materialien einführen, den Ressourceneinsatz in der Produktion und in der Nutzungsphase verringern sowie die Wiederverwendungs- bzw. Recyclingfähigkeiten verbessern. Dabei geht es oft nicht nur um die Verbesserung bestehender Produkte, sondern häufig auch um einen grundlegenden Paradigmenwechsel wie z. B. hin zu einem modularen Aufbau oder Produkt-Service-Systemen.

Lisa Venhues, Ecodesign-Expertin bei der EFA, erklärt, dass viele Unternehmen in der Krise die Erfahrung gemacht hätten, bestimmte Rohstoffe oder Zulieferteile nicht oder nicht rechtzeitig zu erhalten. Dadurch seien sie auch empfänglicher für Change-Prozesse in Richtung ressourceneffizienter Produkte geworden. „Unternehmen fragen sich zum Beispiel, wie sie global bezogene Rohstoffe durch regionale ersetzen oder selbst produzieren können. Oder wie sie ihr Geschäftsmodell anpassen und ihre Expertise für neue Produkte und Dienstleistungen nutzen können“, sagt Venhues.

Auch beim Ecodesign für die Circular Economy (CE) gehe es voran, jedoch mit unterschiedlicher Geschwindigkeit. „Es sind bisher allerdings eher die Unternehmen mit direktem Bezug zum Konsumenten, die sich mit dem Thema Ecodesign und CE beschäftigen“, berichtet Venhues. „Neue Geschäftsmodelle wie ‚Pay per Lux‘ von Philipps oder auch ‚IKEA wird circular 2030‘ zeigen, dass hier etwas passiert.“ Für kleine und mittlere Unternehmen (KMU) aus der Zulieferindustrie, zum Teil ohne eigene Produktverantwortung, gestalte es sich entsprechend schwieriger, sich mit eigener Kraft dem Thema CE zu widmen. „Hier ist es wichtig, entlang der Wertschöpfungskette zu schauen, welchen Einfluss die jeweiligen Produkte durch Product-Service-Systeme wie zum Beispiel Reparaturangebote, Refurbishing, Remanufacturing, Rücknahme und Weiterverkauf haben können. Dazu braucht es eine gute Moderation zwischen den einzelnen Akteuren und Stakeholdern entlang der Wertschöpfungskette, vom Zulieferer bis hin zum Konsumenten und dem Entsorger.“

Die Chance zur klimaschonenderen Wirtschaft

In Zeiten von Home Office und Videokonferenzen scheinen die digitalen und in der Krise erstmals ernsthaft genutzten Arbeitsformate auch positive Auswirkungen auf das Innovations- und Ideenmanagement zu haben.

Online-Formate wie Webinare werden jedenfalls auch zukünftig eine feste Säule des Veranstaltungsangebots der EFA sein, teilt Ingo Menssen mit, Leiter des Geschäftsfelds Veranstaltungen der EFA. „Themen wie ecodesign, CO2-Bilanzierung mit ecocockpit oder Finanzierungsberatung zur Ressourceneffizienz waren so stark nachgefragt, dass wir diese Webinare wiederholt anbieten mussten und werden, viele davon sogar mehrfach“, so Menssen. Diskussionsintensivere und länger dauernde Formate wie Workshops oder Schulungen hätten jedoch online ihre Grenzen, da der informelle, persönliche Austausch fehle. „Wir fahren deshalb in Zukunft zweigleisig.“

Immerhin können Videokonferenzen, Home Office und Co. zu erheblichen Ressourceneinsparungen führen, das zeigen diverse Auswertungen der letzten Krisenmonate. So geht eine Studie des Wuppertal Instituts davon aus, dass sich der gesamte Personenverkehr künftig um bis zu acht Prozent reduzieren lasse. Allerdings sei der Datenverkehr gestiegen, deswegen müssten auch in der digitalen Infrastruktur Bedingungen der Ressourceneffizienz gelten. Eine Greenpeace-Studie kalkuliert, dass die CO2-Emissionen des Pendelverkehrs um 18 Prozent sinken können, wenn 40 Prozent der Arbeitnehmenden dauerhaft an zwei Tagen pro Woche von zuhause arbeiten.

Die Chance der Krise zu nutzen, die Wirtschaft neben dem notwendigen Wiederaufbau klima- und ressourcenschonender aufzustellen, dafür plädiert EFA-Leiter Peter Jahns in jedem Fall. Er ist überzeugt, dass sowohl in den einzelnen Betrieben als auch in den Lieferketten dafür große Potenziale und auch der Wille dazu vorhanden sind. „Wir werden sensibler für regionale Wertschöpfungssysteme sein. Wir werden es schätzen, unabhängiger von anfälligen, globalen Lieferketten zu werden. Und wir werden uns das auch etwas kosten lassen.“

Ansprechpartner bei der Effizienz-Agentur NRW:

 

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