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  • Natur-, Umwelt- und Klimaschutz im Koalitionsvertrag 2025, analysiert vom WWF. Bild: WWF

Koalitionsvertrag 2025: Weniger Schutz für Menschen, Klima und Umwelt, dafür mehr Ungleichheit

Der Koalitionsvertrag 2025 zwischen CDU/CSU und SPD bietet wenig zur Sicherung der natürlichen Lebensgrundlagen. Hinter dem Notwendigen bleibt er zurück und Erreichtes droht sogar verloren zu gehen, zeigen verschiedene Analysen: Nachhaltiger und gerechter wirtschaften wird das Land mit diesen Leitlinien in den nächsten Jahren offenbar nicht und der Schutz vor Armut wie von Geflüchteten schwindet. Durch die wachsende Ungleichheit dürften Rechtspopulisten jedoch noch mehr Unterstützung erhalten.

2021 war die so genannte Ampelkoalition von SPD, Grünen und FDP immerhin ambitioniert gestartet. "Fortschrittskoalition" nannte sie sich selbst, die Lücken des Koalitionsvertrags waren jedoch deutlich sichtbar. Zwar erreichte sie die vorgegebenen Klimaziele, allerdings wie erwartet nicht in den Bereichen Gebäuden und Verkehr. Zur Lösung änderte sie das Klimaschutzgesetz (KSG).

Fortschritte machte "die Ampel" bei der Energiewende. Bei Verkehr und Gebäuden kam der Umbau allerdings nicht in Gang und die Landnutzung stieß statt zu speichern sogar vielfach mehr Treibhausgasemissionen aus. Die Emissionsreduktion der Industrie entstand durch die höheren Energiepreise und die Nachfragerückgänge, so der Expertenrat Klima in seinem Gutachten 2025.

Der Rat überprüft laut Gesetz die Wirkung der Klimaschutzpolitik. Er betont, dass die KLimaschutzziele 2030 nur mit einer stärkeren Vernetzung von Wirtschafts-, Finanz- und Sozialpolitik erreicht werden könnten. Die zusätzlich notwendigen Transformationsinvestitionen würden aber einen erheblichen Teil der Wirtschaftsleistung Deutschlands ausmachen. Die Regierung müsse deswegen ihren Fokus mehr auf die sozialen bzw. wirtschaftlichen Verteilungswirkungen der Maßnahmen legen.

 

WWF: Rückschritte trotz positiver Aspekte

Danach sieht es in den kommenden Jahren nicht aus, schaut man sich den Koalitionsvertrag 2025 der im Februar gewählten Regierungspartner CDU/CSU und SPD an. Schon im Wahlkampf waren die meisten Parten beim Klima- und Umweltschutz weit hinter dem Notwendigen zurückgeblieben. CDU, CSU und SPD hatten ihre Ambitionen im Vergleich zu 2021 deutlich zurückgenommen.

Im Check des WWF hat die Naturschutzorganisation den Vertrag in 13 Kernbereichen geprüft – von Klimaschutz über Artenschutz bis hin zu nachhaltigen Lieferketten. Das Ergebnis sei kritisch: Es gäbe positive Aspekte, aber fast alle untersuchten Bereiche bleiben hinter den nötigen Maßnahmen zurück. Bisherige Fortschritte drohen verloren zu gehen.

„Dieser Koalitionsvertrag sichert weder unsere Lebensgrundlagen noch die Zukunft des Wirtschaftsstandortes Deutschlands ausreichend ab", sagt Heike Vesper, WWF-Vorständin für Politik & Transformation. Die Klimakrise finde jetzt statt, Dürren, Starkregen und Ernteausfälle nähmen zu und erforderten kluges und zukunftsgerichtetes Handeln. Im Koalitionsvertrag sei das nicht zu erkennen.

 

Abbau von Gesetzen, Standards und Rechten

Stattdessen wolle die neue Regierung das Heizungsgesetz mit dem Argument der Technologieoffenheit abschaffen, wolle CO2-Abscheidung bei Gaskraftwerken einführen und habe keine klaren Zeitpläne für den Ausstieg aus fossilen Energien.

Statt das deutsche Lieferkettengesetz abzuschaffen und die EU-Entwaldungsverordnung in Deutschland zu umgehen, seien verbindliche Umwelt- und Sozialstandards in globalen Lieferketten erforderlich. "Die EU-Naturwiederherstellungsverordnung und die nationale Kreislaufwirtschaftsstrategie müssen ambitioniert umgesetzt, anstatt geschwächt zu werden", so Vesper.

Laut Vertrag soll das nationale Klimaziel für 2040 auch über die Nutzung von Negativemissionen und fragwürdigem internationalen Emissionshandel erreicht werden können. Das verwässere das Minderungsziel und widerspräche dem Klimaschutzgesetz, verschiebe die Verantwortung für Emissionsminderung und untergrabe so wirksamen Klimaschutz.

Statt die Demokratie zu stärken, wolle die neue Regierung Beteiligungs- und Klagerechte im Umweltbereich massiv einschränken. Damit schwäche sie ein wichtiges demokratisches Kontrollinstrument, das die Einhaltung von Gesetzen sicherstelle. Auch das schwache Bekenntnis zu den globalen Klima- und Naturschutzabkommen sowie zu einer angemessenen Finanzierung der Entwicklungspolitik wiege schwer.

 

Weiter mit natürlichem Klimaschutz und möglicher Naturflächenbedarfsregulierung

Immerhin gäbe es auch Lichtblicke: So laufe das Aktionsprogramm Natürlicher Klimaschutz weiter. Ein Naturflächenbedarfsgesetz solle kommen. Das Recht kommender Generationen auf eine lebenswerte Zukunft werde so jedoch nicht ausreichend abgesichert, beklagt WWF-Vorständin Vesper. Sie hoffe, dass die neue Regierung einen ernsthaften Dialog mit der Zivilgesellschaft dazu führen werde.

Der WWF hat seinen Check in einer Tabelle "auf einen Blick" zusammengefasst und gibt auf seiner Webseite einige kurze Informationen zu den einzelnen Punkten. Die genaue Bewertung findet sich in eim mehrseitigen Dokument, dort sind auch die drohenden Gefahren und das aus Sicht der Naturschützer*innen Fehlende genauer aufgeführt.

 

DIW: Koalition erreicht so Klimaziele nicht …

Vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) kommt ebenfalls Kritik. Für Energieexpertin Claudia Kemfert steht fest, dass mit diesem Koalitionsvertrag die deutschen Klimaziele nicht erreichbar sind. Auch wenn man der Erreichung der Klimaneutralität bis 2045 festhalte: Die Maßnahmen im Gebäude- und Verkehrssektor würden das "konterkarieren".

Die pauschale Senkung der Strompreise sei mit über 10 Milliarden Euro unnötig teuer und ineffizient. Sie bevorteile pauschal vor allem Unternehmen, die sie nicht benötigen würden, stattdessen wäre eine bedarfsgerechte Entlastung stromintensiver Betriebe wirkungsvoller. Der überdimensionierte Zubau von Gaskraftwerken würde zudem die Strompreise steigen lassen – und wie in der Vergangenheit die Margen der Stromkonzerne.

Kemfert beklagt zudem, dass trotz des Willens, die Einnahmen aus der CO2-Bepreisung an die Haushalte zurückzugeben, ein sozial gestaffeltes und damit gerechtes Klimageld fehle.

 

… zementiert den Status-Quo …

DIW-Präsident Marcel Fratzscher meint, dass dieser Koalitionsvertrag den Status Quo zementiere. Es fehlten klare Umsetzungsstrategien für die durch Reform der Schuldenbremse richtigen Prioritätensetzungen.

In wichtigen Bereichen wie Sozialpolitik, Fachkräftemangel und Migration blieben die angestrebten Maßnahmen unzureichend. Die Rentengarantie verschärfe die Umverteilung zu Lasten der jungen Generation, und eine nachhaltige Lösung für den Arbeitskräftemangel fehle.

Fratzschers Fazit Anfang April: "Dem vorliegenden Koalitionsvertrag mangelt es an Ambitionen. Er zeigt, dass Union und SPD die Dringlichkeit der aktuellen Krisenlage noch nicht erkannt haben und bleibt in vielen Bereichen ambitionslos."

 

… und verstärkt die Ungleichheit

In seiner Kolumne "Verteilungsfragen" auf ZEIT Online hält er zusätzlich fest: "Dieser Koalitionsvertrag ist riskant." Mit den Steuererleichterungen für Unternehmen und Rentengarantien für Babyboomer nehme die wirtschaftliche Umverteilung von Arm zu Reich und von Jung zu Alt zu.

Gerade vor dem Hintergrund der weiter wachsenden Unterstützung für die AfD sei das fatal, denn "dass AfD-Wählende allein durch eine verschärfte Migrationspolitik befriedet werden, ist naiv zu glauben."

Weil der Koalitionsvertrag Ziele so vage formuliere und konkrete Versprechen und Maßnahmen fehlen, sei Dauerstreit wahrscheinlich. Konkret sei er lediglich bei den Steuererleichterungen für Unternehmen, für Bürger*innen gäbe es kaum Entlastungen, Förderprogramme seien sogar gestrichen und die unteren Einkommensgruppen würden vergessen.

Damit werde die Ungleichheit größer, die Arbeitsmarktpolitik verstärke das ebenfalls. Auch die Ungleichheiten zwischen den Geschlechtern sowie zwischen Deutschen und Migranten werde mit dem Angekündigten größer. Die regionalen Ungleichheiten ("reicher Süden") würde gleichfalls größer.

Das sei riskant und werden nicht nur die "soziale Polarisierung verschärfen, sondern auch die Demokratie weiter schwächen – und noch mehr Wähler in die Arme der AfD treiben."

 

Wachstum mit Finanzierungslücke

Das “Dezernat Zukunft – Institut für Makrofinanzen” hat Mitte April untersucht, wie sich der Koalitionsvertrag auf Potenzialwachstum und Haushalt auswirkt.

Demnach führen die Ziele zu einem Potenzialwachstum bis 2029 um 0,4 bis 1,2 Prozent, vor allem durch das staatliche Investitionspaket und die potenziell erhöhte Erwerbsmigration.

Damit könnten sich Mehreinnahmen von 24 Milliarden Euro ergeben, gleichzeitig aber auch eine Finanzierungslücke von mindestens 50 Milliarden Euro, verursacht duch Wahlversprechen wie die Mütterrente, die Mehrwertsteuersenkung in der Gastronomie oder eine höhere Pendlerpauschale.

In der jüngsten Gemeinschaftsdiagnose hatten führende Wirtschaftsinstitute eine Stagnation für 2025 und ein BIP-Wachstum von 1,3 Prozent für 2026 prognostiziert – allein auf Grund der noch vor der Bundestagswahl im Februar 2025 beschlossenen kreditfinanzierten Schuldenaufnahme des Staates und noch ohne die Maßnahmen des CDU/CSU/SPD-Koalitionsvertrags.

 

Fazit: Weniger Schutz für Menschen, Klima und Natur

Der Paritätische Gesamtverband kommt in seiner 52-seitigen Auswertung des Koalitionsvertrags zu einem gemischten Ergebnis mit Licht und Schatten: "Zu den großen Verlierern des Vertrags gehören der Klimaschutz, der Schutz vor Armut und der Schutz von Geflüchteten."

Gerade die erheblichen sozial- und asylpolitischen Rückschritte und armutspolitischen Leerstellen, die angekündigten, wahrscheinlich langsamen Kommissionen in "systemrelevanten" Bereichen wie Gesundheit und Pflege ließen Zweifel aufkommen, ob die Regierungskoalition den Ernst der Lage erkannt habe.

Weitere Stellungnahmen zum Koalitionsvertrag gerade in Bezug auf seine sozial-ökologische Transformationswirkung gibt es vom Bund für Umwelt- und Naturschutz Deutschland (BUND), vom Forum Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft (FÖS) ("Koalitionsvertrag ist zukunftsvergessen") und vielen weiteren Organisationen wie Finanzwende, Allianz pro Schiene, Verkehrsclub Deutschland (VCD)

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