Ressourcen

Ressourcenschutz ist nicht nur der beste Klimaschutz…

er liefert zudem die Grundlage für den Umbau des globalen Wirtschaftssystems. Denn was dieses nicht verbrennen, übernutzen oder entsorgen muss, sondern lange im Kreislauf führt, treibt auch die Erderhitzung nicht weiter voran. Damit sorgt es auch für mehr Naturerhalt, sichert Lebensgrundlagen und resiliente Gesellschaften. 50 Jahre nach den „Grenzen des Wachstums“ muss deswegen der Ressourcenschutz endlich zum Schlüssel der Krisenbewältigung werden.

Von Friedrich Hinterberger 

Wir verbrauchen zuviel. Schon 1972 hat uns der Club of Rome mit dieser Message aufgerüttelt: die Grenzen des Wachstums würden Mitte des kommenden Jahrhunderts erreicht sein. Also in diesem Jahrhundert, in 20 bis 30 Jahren.

Vom Klima war damals noch gar nicht die Rede. Die allererste Klimakonferenz fand erst 13 Jahre später im österreichischen Villach statt. Und weitere sieben Jahre dauerte es bis zum Erdgipfel von Rio 1992. Da stand das Klima plötzlich auf der Agenda – allerdings nicht auf der politischen. Dazu brauchte es zunächst eine starke zivilgesellschaftliche Bewegung: Erst 2018 entstand aus den Schulstreiks fürs Klima der Schwedin Greta Thunberg die seitdem weltweit aktive Initiative „Fridays for Future“.

Das Klimathema schien eine Zeitlang das Ressourcenthema zu verdrängen. Oder besser gesagt: Das Ressourcenthema beschränkte sich auf das Thema fossile Energien. Spätestens seit Putins Einmarsch in die Ukraine ist auch der Politik jenseits der Grünen klar: Wir müssen Energie sparen, vor allem fossile. Damit ließe sich ein großer Teil der 40 Gigatonnen an Treibhausgasen einsparen, die jährlich die Atmosphäre belasten.

Doch den Treibhausgasausstoß auf Netto-Null zu verringern gelingt nur, wenn fossile Energieträger, die durch Verbrennung und industrielle Prozesse in CO2 verwandelt werden oder z. B. eigens produziertes Tierfutter, das Kühe zu Methan „verarbeiten“, erst gar nicht eingesetzt werden.

Darüber reden wir Nachhaltigkeits­forscher*innen nun seit über 30 Jahren. Hätten wir schon damals „Energie gespart“, wäre die Situation heute nicht so prekär: wir wären weniger oder sogar nicht abhängig von „russischem“, katarischem oder US-Fracking-Gas und gleichzeitig litten wir weniger unter Waldbränden, Sturmschäden und Überschwemmungen, die der von uns verursachte und wider besseres Wissen weitergetriebene Klimawandel heute verursacht – aber das ist eine andere Geschichte.

Die Energiekrise ist nur eine von vielen

Heute ist klar: Energie zu sparen allein reicht nicht. Damit lässt sich maximal die Hälfte der in den nächsten zehn Jahren erforderlichen Halbierung der Treibhausgase erreichen. Mehr nicht – jedenfalls nicht ohne nennenswerte Wohlstandsverluste. Auch ein vielleicht irgendwann vollständiger Wechsel zu erneuerbaren Energien reicht nicht – und wäre beim gegenwärtigen Ressourcenverbrauch klimaneutral auch gar nicht möglich.

Um das Ziel der Klimaneutralität zu erreichen, muss daher der Ressourcenverbrauch mehr als deutlich sinken. Denn jedes Material, auf dem unser Wohlstand beruht, benötigt Energie: zur Förderung und Verarbeitung, beim Transport und dann noch einmal bei der Entsorgung. Ressourcenschonung bedeutet, weniger Ressourcen zu fördern, zu verarbeiten, zu transportieren und zu entsorgen.

„Leave it in the Ground“ hieße, weitgehend mit den Ressourcen zu wirtschaften, die bis jetzt extrahiert sind. Der „Circularity Gap Report“ von 2021 errechnet für die Erreichung der Klimaziele eine Verdoppelung der globalen Rohstoffzirkularität. Gegenwärtig liegen wir bei acht Prozent.

„Dematerialisierung“ hat das der Erfinder des ökologischen Rucksacks, Friedrich Schmidt-Bleek, schon vor 30 Jahren genannt. Er sprach von einem „Faktor 10“, um den der Ressourcenkonsum sinken müsse. Also 90 Prozent weniger Ressourcenverbrauch – nicht etwa lediglich fünf Prozent an Treibhausgasen, worauf sich die Vereinten Nationen 1997 im Kyoto-Protokoll geeinigt hatten – wohlgemerkt nur für die Industrieländer.

Heute ist der Faktor 10 „state of the art“ – zumindest für Treibhausgase. Nur so kann „Klimaneutralität“ – wie im Pariser Klimaabkommen beschlossen – bis zur Mitte dieses Jahrhunderts erreicht werden. Dafür müssen die jährlichen Emissionen global gesehen um rund 75 Prozent sinken. Für Deutschland sind das – bei pro Kopf gerechter Verteilung – sogar mehr als 85 Prozent. Und das wiederum geht nicht ohne entsprechende Reduktion des Ressourcenverbrauchs.

Weniger Ressourcenverbrauch meint aber auch: weniger Eingriffe in ökologische Gleichgewichte, weniger Zerstörung von Lebensräumen, Pflanzen und Tieren, weniger Artensterben. Das gilt ganz besonders auch für nachwachsende Rohstoffe. Diese wachsen zwar nach, sind aber auf einem begrenzten Planeten ebenso knapp wie so genannte nicht-erneuerbare, die sich nur in geologischen Zeiträumen erneuern, wenn überhaupt.

Ökologisch betrachtet ist nur weniger Ressourcenverbrauch wirklich mehr: Mehr Ökosystemdienstleistungen, wie wissenschaftlich genannt wird, was die Natur für uns Menschen leistet wie Nahrung, Schutz, Medizin, Erlebnis etc.

Besser leben mit weniger

Trotz aller Effizienzmaßnahmen werden Ressourcen immer noch in hohem Maß verschwendet. So ließe sich wesentlich mehr Lebensqualität und Wohlstand aus einer Tonne Öl, Erz, Sand oder Holz herausholen. Deutlich mehr, als das heute der Fall ist. Gleiches gilt für Lebensmittel: Auch hier wird bei Produktion und Konsum in großem Maß verschwendet – in Deutschland sind das laut Bundeslandwirtschaftsministerium 130 Kilogramm pro Kopf und Jahr, die von der Natur produziert werden, aber nicht auf den Teller kommen.

Damit also die planetaren Grenzen nicht noch weiter überschritten werden, muss der Ressourcenverbrauch auf einen Bruchteil sinken. Eben um einen Faktor X. Ein Faktor 4 bedeutet weniger 75 Prozent, ein Faktor 10 die Reduktion auf ein Zehntel – und das innerhalb der nächsten zwei bis drei Jahrzehnte, wie der internationale Klimarat der UN vorrechnet. Noch in diesem Jahrzehnt müssten wir davon wenigstens die Hälfte erreichen.

Die britische Ökonomin Kate Raworth hat dazu das eindrucksvolle Bild eines „Doughnut“ gezeichnet. Seine Form beschreibt den lebenswerten Raum, innerhalb dessen eine gesellschaftliche Entwicklung dauerhaft möglich, also „nachhaltig“ ist.

Der Raum wird außen begrenzt von den planetaren Grenzen, bei deren Überschreitung ökologische Katastro­phen wie die Klimakrise, aber auch Artensterben, Wasserknappheit oder giftige Nebenprodukte des Bergbaus drohen. Nach innen setzen soziale Mindeststandards für das gesellschaftliche Zusammenleben die Grenzen. Eine nachhaltige Wirtschaftspolitik müsse laut aworth dazu beitragen, diese Grenzen weder zu über- noch zu unterschreiten.

In der Realität sind die Grenzen längst nach außen und innen überschritten. Angesichts der schon seit Jahrhunderten andauernden globalen Ungleichverteilung nicht nur des Ressourcenverbrauchs, sondern auch der dadurch verursachten Schäden vor allem zu Lasten der Länder des Südens – übrigens weitgehend unabhängig von der geographischen Verteilung der Ressourcen und Emissionen selbst –, liegt die Verantwortung dafür ganz deutlich aufseiten der früh industrialisierten Länder des Globalen Nordens, aber zunehmend bei den Schwellenländern wie China oder Brasilien.

Ressourcenschutz ist machbar

Ressourcen und ihr Schutz erfordern daher eine möglichst effiziente und langlebige Verwendung dessen, was einmal der Natur entnommen wurde. Kreislaufwirtschaft bzw. Circular Economy ist dafür ein aktuelles politisches Schlagwort, „Repair“, „Re-Use“ und „Recycle“ sind wichtige Konzepte, um die Kreislaufwirtschaft konkret umzusetzen. „Erster klimaneutraler Kontinent werden“ lautet der Claim der EU für ihren „Green Deal“, in dem die Kreislaufwirtschaft eine zentrale Rolle spielt und zu deren Umsetzung es auch einen sehr konkreten Fahrplan gibt mit Richtlinien und Verordnungen, die nahezu im Monatstakt veröffentlicht werden. Dennoch ist Kreislaufwirtschaft noch lange nicht zu einer breit verstandenen Leitkultur und Politik geworden.

Die Circular Economy oder Kreislaufwirtschaft ist allerdings unabdingbar, um die multiplen Krisen zu bewältigen.„Repair, Re-Use, Recycle!“ muss wesentlich stärker zum Wirtschaftsprinzip werden. Daneben gilt auch „Reduce“ als eine wesentliche Bedingung dafür, dass die Gewinne durch die Kreislaufwirtschaft nicht durch Wachstum wieder aufgefressen, die sogenannten Rebound-Effekte vermieden werden. So sind die „Grenzen des Wachstums“ 50 Jahre nach der Veröffentlichung des richtungweisenden Berichts des Club of Rome bedeutender denn je.

Wachstum und Lebensqualität

Die für die Reduktion des Ressourcenverbrauchs u. a. notwendige Steigerung der „Ressourcenproduktivität“ ist hier als makroökonomisches Konzept zu verstehen, die die mikroökonomische „Ressourceneffizienz“ auf eine systemische Ebene hebt: Das bedeutet, dass durch die Steigerung der Ressourcenproduktivität weniger Ressourcen für die Produktion von Lebensqualität erforderlich sind. In der Konsequenz geht es dabei um einen Fokus auf zu erfüllende End-Funktionalitäten bzw. Dienstleistungen und um das Aufspüren von Systempotenzialen im System sowie um die Kopplung und Integration von Energie- und Stoffwirtschaft.

Das Konzept hat Hand und Fuß: So haben viele Studien der letzten zehn Jahre gezeigt, dass eine Verringerung des Ressourcenverbrauchs um den bereits erwähnten „Faktor 10“, also um 90 Prozent gegenüber heute, innerhalb weniger Jahre auch wirtschaftlich machbar sind. Allerdings nur dann, wenn die Energiewende eine echte Ressourcenwende begleitet.

Reine Effizienzverbesserungen reichen dafür aber nicht aus. Erforderlich sind dafür auch entsprechende Verkehrs-, Bau-, Agrar- und Lebensstilwenden, beschrieben auch im factory-Magazin „Klimaneutral“. Neben z. B. einem reduzierten Fleischkonsum auf ein für den Menschen gesundes Maß müssten diese Wenden auch ein Weniger an Erwerbsarbeit für die einzelnen bedeuten – bei gleichzeitig besserer Verteilung der Erwerbsarbeitsmöglichkeit auf alle, die erwerbsarbeiten wollen. Diese und ähnliche Forderungen wurden in den letzten Jahren häufig unter dem Stichwort „degrowth“ diskutiert und neuerdings passender unter dem Label einer „Wellbeing Economy“ – wie sie auch der Club of Rome in seinem 2022er-Bericht „Earth for All: A Survival Guide to Humanity“ fordert.

Eine konkrete Strategie

Kommen wir zur konkreten Umsetzung: Eine wirkungsvolle Kreislaufwirtschaftsstrategie erfordert neben klaren Zielen im Bereich des Recyclings eine auf Langlebigkeit, Schadstofffreiheit, Reparierbarkeit und Aufrüstbarkeit ausgerichtete Produktgestaltung (Circular Design) sowie dienstleistungsorientierte Geschäftsmodelle. Dazu gehören insbesondere Konzepte wie Urban Mining, Reuse, Upcycling, Remanufacturing, Reparatur, Wartung, Reinigung, Upgrading oder Weiternutzung in anderen Funktionen. All diese Aktivitäten erfordern neben den zu setzenden Standards entsprechendes unternehmerisches Geschick und eine ausreichende Nachfrage – die notwendigen Rahmenbedingungen müsste die Politik setzen.

Entscheidend für die Wirksamkeit dieser Maßnahmen wird auch ein entsprechendes Monitoring sowohl auf unternehmerischer wie auch auf makroökonomischer Ebene sein. Dabei sollte der Materialfußabdruck von Produkten, aber auch von Unternehmen, Branchen und Regionen die zentrale Vergleichsgröße sein. Am besten anzugeben jeweils in absoluten Werten und soweit möglich bezogen auf eine Person (kg/Kopf). Neben der mittlerweile weiter verbreiteten CO2- oder Klimaneutralitätsbilanz würde die Massenbilanz zum Standard werden.

Auch Politik ist gefragt

Zu regulatorischen Vorgaben, die hier zu beachten sind, gehören unter anderem die Verlängerung von Garantie- und Gewährleistungszeiten sowie die Auflagen zur Reparaturfähigkeit und Ersatzteilverfügbarkeit. Um die Ressourceneffizienz zu fördern, müssen Unternehmen Produkte kreislauffähig gestalten, inklusive hoher Langlebigkeit, Reparierbarkeit und Wiederverwendbarkeit. Hersteller würden so zu Anbietern und Händlern von Reparatur- und Produktdienstleistungen sowohl für Konsument*innen als auch im B2B-Bereich.

Nur so kann – und das ist wissenschaftlich hinlänglich belegt – Europa Arbeitsplätze und Lebenqualität erhalten. Und das selbst oder gerade dann, wenn es als Vorreiter diese Pläne umsetzt, ohne auf einen internationalen Gleichschritt zu warten. Und so wäre weniger dann auch wirklich mehr: mehr Lebensqualität, mehr sinnvolle Arbeit bei gleichzeitig wirtschaftlichem Erfolg!
Die gute Nachricht: Noch ist das möglich. Aber die Aufgabe ist gewaltig, sie braucht die Beiträge aller und das Zusammenwirken von Wirtschaft, Politik und Zivilgesellschaft.


Dr. Friedrich Hinterberger ist Ökonom und Vizepräsident des Austrian Chapter des Club of Rome. Er forscht an der Universität für Angewandte Kunst Wien und der Paris-Lodron-Universität Salzburg. Sein Buch „Wachstumswahn“ mit Christine Ax erschien 2013. Im factory-Magazin Sisyphos (2/2014) schrieb er mit ihr und Benedikt Marschütz über den wachsenden Ressourcenverbrauch und Länder, die auf dem Reduktionspfad sind: „Die Aussichten von hier aus“.

Das factory-Magazin Ressourcen enthält alle Beiträge zum Thema und illustriert mit einer Bilderserie zur Ausbeutung und Nutzung natürlicher Ressourcen und deren Folgen. Dazu gibt es Zahlen, Zitate und eine Wordcloud. Das PDF-Magazin im Querformat lässt sich auf allen Screens inklusive Smartphones und Tablets lesen – und kostenlos downloaden. Im Online-Themenbereich Ressourcen erscheinen die Beiträge des Magazins nach und nach. Dort sind sie auch mit entsprechenden aktuellen News verbunden.

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