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  • Balkendiagramm des globalen Holzverbrauchs gegenüber dem Holzwachstum
    Die planetaren Grenzen des Holzverbrauchs. Quelle: Everything from Wood, WWF 2022

Globaler Holzverbrauch entwaldet den Planeten

Wald gilt als natürlicher Speicher für das Treibhausgas CO2. Für sein Produkt Holz gilt das ebenfalls, je länger es genutzt wird. Wälder als CO2-Senken und Holz als Baustoff sind deswegen wichtige Elemente zur Erreichung der Klimaneutralität. Doch die Wälder der Erde werden übernutzt, es wächst weniger nach, als entnommen wird. So verbrauchen die Menschen in Deutschland doppelt so viel Holz wie im globalen Durchschnitt, zeigt eine Studie von WWF und Uni Kassel. Die Lösungen liegen in einem besseren Schutz und konsequenter Kreislaufwirtschaft.

Die Aufgaben sind klar: Um Klimaneutralität bis Mitte des Jahrhunderts zu erreichen, und die schlimmsten Auswirkungen des menschengemachten Klimawandels zu begrenzen, müssen alle Wirtschaftsbereiche nahezu emissionsfrei arbeiten. Dem weltweiten Schutz der Wälder kommt dabei eine besondere Bedeutung zu – nicht nur für den Klima-, auch für den Erhalt der lebensnotwendigen biologischen Vielfalt.

Doch die Wälder stehen global unter Druck. Ihre Funktion als natürliche Kohlenstoffsenken kehrt sich vielerorts schon ins Gegenteil. So ist der größte Regenwald der Erde, der Amazonas-Urwald, durch Entwaldung bereits zur CO2-Quelle geworden. Dabei sind natürliche CO2-Senken technischen Lösungen haushoch überlegen, wie das factory-Magazin Klimaneutral zeigt. Ohne sie wird sich eine treibhausgasneutrale globale Wirtschaft nicht entwickeln lassen.

Schon jetzt ist die Ausbeutung der globalen Wälder viel zu hoch. Holz wird nicht nur als zukunftsfähiger Baustoff gehandelt, sondern auch als vermeintlich klimaneutraler Wärmelieferant. So wird Holz mit der Energie- und Gaskrise 2022 nochmal attraktiver: Holzöfen sind zur Zeit extrem nachgefragt, Bauholz hat sich stark verteuert. Dabei ist der Einsatz als nachhaltiges Baumaterial durchaus umstritten, besonders wenn lediglich mehr mit Holz gebaut wird, statt es länger zu nutzen und insgesamt weniger zu bauen, also suffizienter zu wirtschaften.

Doch Holz gilt inzwischen in vielen Bereichen als Allheilmittel für mehr Nachhaltigkeit: Als Ersatz für Beton beim Gebäudebau, für Plastik in Verpackungen und für Kohle und Gas beim Heizen. In einer neuen Studie setzen der WWF Deutschland und die Universität Kassel diesem Mythos ein Ende und zeigen, dass es bereits heute weder in Deutschland noch weltweit genügend Holz gibt, um die Nachfrage nachhaltig zu decken. Der WWF fordert die Politik deswegen auf, den Holzverbrauch zu senken und Holz nicht automatisch als nachhaltig zu werten, besonders in Bezug auf die energetische Nutzung.
 
Denn die Menge an weltweit geschlagenem Holz ist mit 4,3 bis 5 Milliarden Kubikmetern (2020) höher als das, was den Wäldern auf nachhaltige Weise entnommen werden kann. Um die auch für die Menschheit so überlebenswichtige Biodiversität im Wald nicht zu gefährden dürften nur 3 bis 4,2 Milliarden Kubikmeter entnommen werden.

Mit der 30 bis 50 Prozent höheren als nachhaltigen Entnahme steigt das Risiko für die Artenvielfalt entsprechend. Bis zu 2 Milliarden Kubikmeter Holz pro Jahr werden den Wäldern demnach zu viel entnommen. Das entspricht ungefähr der Hälfte aller Waldbäume in Deutschland.

Dennoch steigt die Nachfrage nach Holz weiterhin beständig, vor allem für Verpackungen, die Bauindustrie, Bioplastik und Bioenergie. Besonders hoch ist der Holzhunger in Deutschland: Pro Kopf verbrauchen die Menschen hier rund 1,2 Kubikmeter Holz (ohne Rinde¹). Das ist mehr als doppelt so viel wie der weltweite Durchschnitt, der bei etwa 0,5 Kubikmetern liegt. Die Studie beruht auf Analysen von Satellitenbildern, Handelsströmen und nationalen bis globalen Verbrauchs- und Waldstatistiken.
 
„Besonders die energetische Nutzung von Holz, also zum Heizen und zur Energieerzeugung, frisst ein massives Loch in die Waldbestände“, sagt Dr. Susanne Winter, Programmleiterin Wald beim WWF. Sie fordert die EU-Kommission auf, die energetische Nutzung von Holz in der EU-Taxonomie nicht als nachhaltig einzustufen, um die umweltschädliche Praxis nicht noch attraktiver für die Finanzmärkte zu machen.

Denn laut der Studie gibt es schlichtweg zu wenig Holz, um den weltweiten Energiehunger zu stillen – und für viele Bevölkerungsgruppen ist es bis heute die einzige verfügbare Energiequelle. Dass fast alle Wälder der Welt abgeholzt werden müssten, um den weltweiten Energiebedarf allein eines einzigen Jahres zu decken, zeigt wie absurd die mögliche Einordnung als nachhaltige Energiequelle wäre. Ab dem zweiten Jahr müssten dann bereits weitestgehend auf die Holznutzung verzichtet werden, da es kaum mehr nutzbare Wälder gäbe.

„Es ist ein Teufelskreis, der die unersetzlichen Wälder überall auf der Welt weiter zerstört. Momentan nutzt die Industrie den Wald, als gäbe es keinen Morgen". kommentiert Winter. "Wenn wir Klimakrise und Artensterben stoppen wollen, brauchen wir jetzt eine Trendwende in der Art wie wir unsere Wälder behandeln.“
 
Die Autor*innen der Studie fordern deswegen mehr Diskurs in Politik und Gesellschaft über eine sinnvolle Verwendung von Holz. „Der Wald ist keine Holzfabrik, er ist unsere Lebensgrundlage. Schädliche Subventionen für die energetische Nutzung von Holz, wie das Erneuerbare-Energien-Gesetz, gehören überdacht", so Winter.

Um den Holzverbrauch an das Angebot anzunähern, fordert der WWF, es kreislauf- und kaskadenartig zu nutzen. Statt es direkt im Kraftwerk oder Kamin zu verfeuern, würde es dann zuerst für langlebige Zwecke, zum Beispiel als Ersatz für den „Klimakiller“ Beton in der Bauindustrie genutzt werden. Schließlich war der Bausektor 2015 laut Umweltprogramm der Vereinten Nationen für über 38 Prozent der weltweiten energiebedingten Kohlenstoffemissionen verantwortlich. Weil weltweit überwiegend mit Beton gebaut wird, ist die Herstellung von Zement der größte industrielle CO2-Emittent der Welt.

Für die Nutzung als Bau- und Betonersatzstoff müsse die Bundesregierung den gesetzlichen Rahmen für mehr Kreislaufwirtschaft setzen, fordert der WWF. Unterstützend notwendig seien Investitionen in den Aufbau der Infrastruktur, zum Aufbau von Know-how und zur Bewusstseinsbildung für hochwertiges Recycling sowie zur stofflichen Weiterverwendung von Holzabfällen. Hier fehlen immer noch entsprechende Konzepte und Standards. Wie eine solche Circular Economy im Bereich Gebäude funktionieren könnte, erproben immerhin inzwischen auch einige Unternehmen in einem Kooperationsprojekt.
 
Holz könne der Rohstoff der Zukunft sein, sagt Dr. Meghan Beck-O´Brien vom Center for Environmental Systems Research der Universität Kassel. "Aber um ihn nicht zu übernutzen, müssen wir die Verschwendung beenden, die wir durch unsere Geschäftsmodelle, Anreizsysteme und soziale Normen betreiben."

Die Studie schlägt dazu ein systemisches Monitoring vor. Es stellt die Verbindung zwischen dem Zustand der Wälder und dem wie, wie viel und was an Holz konsumiert wird. Beck-O´Brien sagt: „Die Menge macht´s, auch bei unserem Holzkonsum. Die Kluft zwischen Holzangebot und Nachfrage wächst allein schon durch das Bevölkerungswachstum weiter. Wir müssen achtgeben, dass unsere unersättliche Nachfrage nach „nachhaltigen“ Holzprodukten nicht zu einer noch gravierenderen Übernutzung der Wälder führt, denn das geht mit großen Sozial- und Umweltrisiken einher.“

Ansätze der Suffizienz, also Sanierung statt Neubau, kleiner, weniger und wandlungsfähiger zu bauen, haben es bis jetzt noch nicht in die breite Öffentlichkeit geschafft. Das wäre aber dringend notwendig, sollen die letzten CO2-Senken nicht weiter für vermeintlich günstige Heizungslösungen geopfert werden. Dabei gibt es für suffizientes Bauen und Sanieren vielversprechende Ansätze, wie sie z. B. der Solar-Decathlon 2022 gezeigt hat.

Wie eine geringere Holznutzung und ein nachhaltiger Schutz der Wälder aussehen könnte, lesen Sie auch in den factory-Magazinen Besser bauen und Klimaneutral – und in den jeweiligen Themenbereichen.


¹Rinde und kleinere Äste landen meistens nicht in Holzprodukten wie Möbeln. Deswegen sind die Mengenangaben für gehandeltes oder verbrauchtes Holz in der Studie grundsätzlich ohne Rinde angegeben. Die tatsächliche Einschlagsmenge im Wald wird mit Rinde gemessen. Um den Wert zu ermitteln, wurden in der Studie die verbrauchte Rundholzmenge hinsichtlich der Volumina der Rinde (+12 %) und Ernteverluste (+10 %) sowie der Herkunft des Holzes außerhalb des Waldes (-14 %) angepasst. Holz aus illegalem Einschlag (15-30 %) kann aufgrund der ungenauen Daten nicht berücksichtigt werden.

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