Im Einfamilienhaus zu wohnen, möglichst freistehend im Grünen, das wünschen sich die meisten Menschen in Deutschland. Die Klima- und Umweltbilanz dieses Haustyps ist jedoch die denkbar schlechteste unter allen Wohnformen. Der Ressourcenbedarf ist derart hoch, dass eine Gesellschaft, die Naturverlust und Erderwärmung stoppen will, sich diese Bauform eigentlich nicht mehr leisten kann.
Wege, besser zu bauen, gibt es aber zuhauf. Sie kommen aber wegen der Absatzorientierung der linearen Bauwirtschaft und geringer ökologischer Vorgaben der Kommunen noch zu wenig zur Anwendung. Ansätze, wie der Hausbau nach dem Faktor-X-Prinzip, um nur noch die Hälfte oder ein Viertel weniger an Ressourcen über die gesamte Lebensdauer der Häuser einzusetzen, sind noch viel zu selten Richtwert für das Bauen.
Auch mit den Vorschriften für zirkuläres Bauen im Sinne einer Circular Economy wird es noch dauern. Die meisten Städte und Kommunen erlauben den Bau ohne entsprechende Zukunftsbedingungen, weil sie Bauwillige halten oder gewinnen wollen, Architekten und Bauwirtschaft profitieren vom höheren Ressourcenaufwand und höheren Kosten.
Bestands-, Mehrfamilien-, Mehrnutzungs-, Mehrgenerationenhäuser im Vorteil
Und so wird nicht nur der Ressourcenbedarf für das Bauen weiter wachsen, auch das Ziel, den Flächenverbrauch von jetzt 55 auf weniger als 30 Hektar pro Tag zu verringern, wird kaum erreicht werden. Doch das Fatale ist auch: Das "Bauen ohne Bedingungen" wird zu einem Leerstand im Einfamilienhaus-Bestand ab 20230 führen, zeigt eine Studie des Leibniz-Instituts für ökologische Raumentwicklung (IÖR). Das dürfte aber kaum im Sinne Bürgermeister*innen, Investor*innen oder Bauherr*innen sein – und könnte vielleicht zum Umdenken führen.
Schon jetzt müsste dagegen der Fokus viel stärker auf dem Bauen im Bestand liegen, auch bei der Förderung. Viele Einfamilienhäuser finden kaum noch Käufer*innen, auch wegen des hohen Sanierungsaufwands. Dabei ist der klima- und naturfreundlichste Wohnraum der, der nicht neu gebaut werden muss, so die Empfehlungen des Umweltbundesamts und seiner Kommission Nachhaltiges Bauen.
Das gilt für den ländlichen wie urbane Räume. Mehrgenerationen-, Mehrfachnutzungs- und Gemeinschaftskonzepte lassen sich überall realisieren – und auch demokratisch antreiben mit Bürger*innenbeteiligung. Reihen- und Kettenhofhäuser, Siedlungshöfe benötigen viel weniger Ressourcen und sorgen für mehr Gemein- und Nachbarschaft. Und was die Aufstockung des Bestands angeht: Hier zeigen Arbeiten wie die des Solar-Decathlons, wie attraktiv und kostengünstig diese sein können.
Zu groß, zu unflexibel, zu ressourcenintensiv
Nach wie vor wird überall zu groß und ressourcenintensiv gebaut. Dass das klassische Einfamilienhaus dadurch auch zur Investitionsruine werden kann, zeigt nun die Studie des IÖR. Im Projekt DemRess hat das IÖR für das Umweltbundesamt die Auswirkungen des demografischen Wandels auf die Nutzung von natürlichen Ressourcen im Bereich Bauen und Wohnen untersucht. Dabei prüften die Wissenschaftler*innen verschiedene Szenarien und Handlungsansätze. Für Fallstudien wählten sie zwei Mittelstädte aus – eine Kommune mit rückläufiger, die andere mit stabiler Bevölkerungsentwicklung.
Bei ihrer Untersuchung über den Ressourcenverbrauch berücksichtigten sie, dass die Bundesregierung seit dem Frühjahr strenge ökologische Vorgaben für die Förderung von Neubauten macht.
Gefördert werden nur Bauvorhaben, die über den gesamten Lebenszyklus hinweg niedrige Grenzwerte für die Emission von Treibhausgasen einhalten und ausschließlich mit erneuerbaren Energien beheizt werden. Damit sichergestellt werden, dass Deutschland seine verbindlichen Klimaschutzziele im Gebäudebereich bis 2045 erreicht.
Diese Vorgaben würden jedoch nichts an der Tatsache ändern, "dass die Einfamilienhausbestände Kommunen in einigen Jahren in punkto Nachhaltigkeit vor erhebliche Herausforderungen stellen könnten", wie das IÖR zu der Studie schreibt.
Ab 2030 droht Leerstand im Einfamilienhausbestand
Eines der Ergebnisse: Egal, ob sich die Einwohnerzahl stabil entwickelt oder sinkt, ab 2030 müssen sich die Kommunen auf zunehmende Leerstände im Einfamilienhaus-Sektor einstellen. Denn ab diesem Zeitpunkt wird die Zahl der Haushalte in Deutschland sinken und für viele der in den 1950er bis 1970er Jahren errichteten Einfamilienhäuser werden sich keine Nachnutzer*innen mehr finden.
Durch die neuen Förderprogramme kommen nun viele weitere Einfamilienhäuser hinzu. „Damit sie nicht in ein paar Jahren zum Problem werden, braucht es schon jetzt eine vorausschauende Planung – auf Seiten der Fördermittelgeber ebenso wie auf Seiten der Bauherren und -herrinnen“, erläutert Andreas Blum, Projektleiter im IÖR.
Wenn schon Einfamilienhaus, dann wenigstens mit Verantwortung für den hohen Ressourcenaufwand. Und auch bei der Bauform gäbe es Alternativen, wie sie das Faktor-X-Bauhandbuch aufführt: Reihen- und Kettenhofhäuser sind wesentlich ressourceneffizienter als freistehende Einfamilienhäuser.
Sinnvoll wäre es deswegen, bei der Förderung von Neubau die Teilbarkeit der Einfamilienhäuser in kleinere Wohneinheiten zu berücksichtigen. Aufseiten der Bauherr*innen hieße vorausschauendes Planen vor allem, die Immobilie möglichst lange selbst zu bewohnen und zugleich alternative Nutzungen zu ermöglichen.
Der Umbau von Immobilien schont Ressourcen
„Das heißt, schon beim Bau der Immobilie sollte man darauf achten, dass sich das neue Haus über die Zeit mit geringem Aufwand so umgestalten lässt, dass der Raumbedarf in den verschiedenen Phasen der Familienplanung gedeckt ist“, erläutert Soziologe Andreas Blum.
So ließe sich ein Haus zunächst in der Phase der Familiengründung als eine große Wohnung nutzen. Verlässt der Nachwuchs das Haus, können die verbleibenden Eltern einen Teil des Hauses als kleinere Wohnung nutzen. Der nicht selbst genutzte Teil des Hauses ließe sich an andere Personen vermieten oder veräußern.
Wird das Haus für die Familie von Anfang an besonders konsequent als Zweifamilienhaus mit zwei kleineren vollwertigen separaten Wohneinheiten gebaut lassen sich zusätzliche Kosten abmilderen, wenn Förderprogramme für die einzelne Wohnung gelten – wie etwa bei der aktuellen KfW-Förderung von klimafreundlichem Neubau.
Die Untersuchungen im Projekt DemRess zeigen, dass eine von Anfang an mitgedachte Teilung des Hauses in separate Wohnungen mit Blick auf eine nachhaltige Entwicklung im Gebäudebestand gleich mehrere Vorteile birgt: Ältere und kleinere Haushalte können länger in ihrem angestammten Wohnumfeld bleiben, ohne übermäßige Ressourcen in Form einer überdimensionierten Wohnung in Anspruch zu nehmen und unterhalten zu müssen.
Durch das Teilen großer Immobilien ließe sich der steigende Bedarf an kleinem Wohnraum besser decken. Ebenso sinkt die Gefahr, dass Immobilien leer stehen, weil sich keine Nachnutzer*innen finden. Wohngebiete bleiben somit insgesamt attraktiver.
Mehr zu den richtigen Wegen des Bauens im factory-Magazin Besser bauen. Zu den Gründen der Ressourcenschonung als Zukunftssicherung empfehlen wir das factory-Magazin Ressourcen. Weitere Infos mit verbundenen News auch in den jeweiligen Themenbereichen.