Ressourcen

Die untrennbare Kopplung von Ressourcen- und sozialer Frage

Ressourcenausbeutung und Ungleichheit sind fest miteinander verknüpft, sowohl historisch als auch in Zukunft. Zu ihrer Reduktion im Sinne einer Lebensräume und Zusammenleben stabilisierenden Welt stoßen deswegen rein technisch oder marktwirtschaftlich orientierte Strategien an ihre Grenzen. Erfolgversprechend wären dagegen Konsumkorridore.

Von Andres Friedrichsmeier

Wie lassen sich Ressourcen, also etwa Böden, Materialien und Energie, so nutzen, dass dies Klima, Umwelt und Menschen möglichst wenig belastet – und die Folgen möglichst gerecht verteilt sind? Wie lässt sich die wachsende Ungleichheit der Lebensverhältnisse auf ein idealerweise gerechtes Maß zurückdrängen? Und wie lassen sich Ressourcen-, Klima- und Naturschutz sowie Wohlstandsproduktion gerecht verbinden?

Für eine zeitgemäße Lösung dieser globalen wie lokalen Fragen nach Ressourcen- und sozialer Gerechtigkeit muss man sich ihre Verknüpfung genauer anschauen. Ihre gewachsene Mehrfachverbindung besteht aus vier miteinander korrespondieren Strängen. Kurz gesagt sind es die vier K: die koloniale Geschichte, die kapitalistische Wirtschaftsweise, der Konsum und die Klimagerechtigkeit.

Die mögliche Lösung beginnt konsequenterweise ebenfalls mit dem Buchstaben K: Konsumkorridore. Das Konzept ist nicht ganz unbekannt. Immerhin diskutiert man im Bundesumweltministerium anlässlich von 50 Jahren Grenzen des Wachstums im Oktober 2022 tatsächlich die Grenzen des Konsums. Angesichts der Tatsache, dass von neun planetaren Grenzen mittlerweile sechs überschritten seien und „unser Konsum komplett verrückt geworden sei“, wie Potsdam-Institutsleiter Johan Rockström es ausdrückte, war der Vorschlag nur konsequent, die Erfüllung von Lebensnotwendigem zu garantieren und Maximalkonsum zu untersagen.

Aber wie kommen wir dahin?

Kolonial

„Die Indigenen werden immer mehr zu menschlichen Wesen wie wir. Sie wollen Bergbau betreiben.“ Jair Bolsonaro, Brasiliens Präsident seit 2018, ist ein Meister im Wiederbeleben nur scheinbar verschwundener Denkweisen. Unverblümt legt er offen, dass seit der Kolonialzeit Ressourcen- und soziale Fragen miteinander verkoppelt sind, und das bis heute tief in unserem Menschenbild verankert ist.

Fehlende Befähigung oder Wille zum Raubbau an lokalen Ressourcen reichte schon den europäischen Kolonialmächten als Beweis, dass ein „Naturvolk“ bevormundender Fremdherrschaft bedarf. Auch die meisten Humanist*innen sahen das damals so, westlicher Humanismus ist also keine Allzweckwaffe gegen Rechtspopulisten à la Bolsonaro.

Für Bolsonaro jedenfalls ergreifen Indigene erst dann „wirklich Besitz von ihren Ländereien“, wenn sie Holz, Niob und Sandstrände des Amazonas großskalig ausplündern. Entsprechend logisch ist heute für Bolsonaro und war es gestern für die Kolonialmächte, dass profitorientierte Unternehmen geeignete Lotsen abgeben, um Indigene zum Sprung vom „prähistorischen Wesen“ (Bolsonaro) in die Moderne zu bringen. Gestern die „Vereenigde Oost-Indische Compagnie“ in Indonesien, heute die Vale Bergbau S.A. im Amazonas.

Rücksichtslosen Bergbau gibt es auch im Globalen Norden – etwa im Garzweiler Braunkohlerevier oder in Western Australia, wo Bergbaukonzerne Gebiete kontrollieren, jeweils größer als etliche europäische Nationalstaaten.

Gleichwohl blicken wir auf knapp fünf Jahrhunderte kolonialer Vergangenheit, die jene Verkopplung von Ressourcen- und sozialer Frage schufen, die heute der Begriff „Extraktivismus“ auf den Punkt bringt. „Handel mit Rohstoffen kommt meist vorrangig einer kleinen Elite zu Gute“, kann man heute auf den Seiten der Bundeszentrale für politische Bildung nachlesen.

Dass Erdölmonarchien am Golf sklavenartiger Umgang mit Arbeitskräften nachgesagt wird, kommt also nicht von ungefähr. Aber dies erklärt sich mehr über die kolonial-gewalttätige Genese des Kapitalismus denn über Kapitalismus als abstraktes Prinzip, das schließlich auch in sanfteren Erdölstaaten wie Norwegen gilt.

Kapital

Unter den Marx‘schen Argumenten finden sich mindestens zwei, die auch für Nicht-Marxist*innen folgerichtig sind: Treibt „Profit“ unsere Gesellschaftsordnung – genau das meint „Kapitalismus“ – , dann ist er auch gemeinsamer Treiber von Ungleichheit und Ressourcenverbrauch.

Um kurz auf die Verbindung von Kapital und Ungleichheit einzugehen: Wenn „Kapitalismus“ bedeutet, dass die Verwertung von Kapital dominierendes Prinzip der Wirtschaftsweise ist, dann versteht sich automatisch, dass im kapitalistischen Normalbetrieb immer ein höherer Anteil des produzierten Mehrwerts an Kapitaleigner fließt als an andere.

Ein paar Jahrhunderte Kapitalismus machen dann selbst aus einem Land mit vergleichsweise hoher Einkommensgleichheit, wie den Niederlanden, das Land mit den weltweit am wenigsten gleich verteilten Vermögen. Die Niederlande sind das vermutlich schon am längsten kapitalistisch geprägte Land und haben mit einem Gini-Index von 90 Prozent die höchste Vermögens­ungleichheit der Welt.

Beim Ressourcenverbrauch wiederum könnte der kapitalistische Zwang, realisierten Mehrwert profitabel zu reinvestieren, rein theoretisch sogar positiv wirken. Er treibt nämlich die Suche nach einer immer kostengünstigeren Produktion an, was immer wieder auch Ressourcenschonung bedeuten kann.

Noch davor treibt er allerdings zu mehr und immer mehr Produktion. Wenn das in heutigen Autokarosserien weniger benötigte Eisenerz trotzdem nicht im Amazonasboden bleibt (den größten Tagebau der Welt betreibt Vale im Amazonas), sondern in die Produktion von noch mehr Autos fließt, nennen wir das „Rebound“: Der positive Effekt wird von seinem Gegeneffekt aufgefressen, die Einsparung durch das Wachstum.

Aber, frohlockt die Mainstream-Ökonomie, natürliche Ressourcen seien ja gar nicht endlich im herkömmlichen Sinn, weil menschlicher Erfindergeist unendlich ist und neues Öl z. B. in Schiefersanden entdeckt. Deshalb lagen in der Vergangenheit Prognosen, wann nicht erneuerbare Ressourcen wie Öl oder Kohle ausgehen, meistens falsch. Und wenn das Öl dann doch mal knapp und teuer wird, kann man ja immer noch mit Erdgas und danach mit aus Strom erzeugtem gelben, blauen oder grünen Wasserstoff fahren.

In der Tat: Betrachtet man nur den einzelnen Rohstoff, geht der so schnell nicht aus (am ehesten eng könnte es beim für Dünger verwendeten Phosphor werden). Da wir aber in bzw. auf einer Welt leben, in welcher mehrere planetare Grenzen gleichzeitig vor oder mitten in der Überschreitung stehen – zu sehen neben der Klimakrise etwa an der Biodiversitätskrise, der Ernährungs- und der Plastikmüllkrise – bleibt es bei dem brutalen Fakt, dass sich kapitalistischer Wachstumszwang und ein begrenzter Planet schlecht vertragen.

Vielleicht hätten wir die beiden langsam aneinander gewöhnen können. Indem wir schon vor Jahrzehnten unsere Basisindustrien von linearer auf Kreislaufwirtschaft umgestellt hätten, also die konsequente Kreislaufführung von Rohstoffen und längere Nutzungsdauer von Produkten. Hätten wir früh genug angefangen, jedes weitere Wachstum in eine überwiegend immaterielle Welt zu lenken: Dienstleistungen statt Produkte, Nutzen statt Besitzen, Kultur statt Konsum.

In jener Kapitalismusversion, zu der wir vor ein paar Jahrzehnten die Ausfahrt verschmäht haben, würden sich Postmaterialist*innen ihres sozialen Werts nicht mehr per SUV und Asienurlaub versichern, sondern über eine besonders teure Massage oder eine seltene Filmaufnahme.
Wir verdrängen es zwar oft, aber im Kern meint „green growth“ nämlich nicht, dass jährlich wachsende Stahl- und Betonmengen zu Windrädern werden und so den Autotreibstoff auf rein energetischer Ebene kompensieren. Es meint ein von Umweltverschmutzung, nicht nur von CO2, entkoppeltes Wachstum.

Um beim vorherigen Bild zu bleiben, müssten Einsparungen beim Karosserieblech für Autos in immaterielle Güter wie Dienstleistungen oder geistiges Eigentum gehen. Zahlreiche Wissenschaftler*innen beobachten, dass sich ein solcher Schwenk tatsächlich bereits in einzelnen Gesellschaften andeutet. Allerdings geschieht das in erster Linie in relativ privilegierten Konsumsegmenten im Globalen Norden, wo die Gesamtnachhaltigkeit trotzdem jenseits des Akzeptablen liegt.

Konsum

Eigentlich wäre Konsum in Marx‘scher Perspektive lediglich ein sekundäres Problem. Denn Profit – genauer: das „Wertgesetz“ – ist das die Wirtschaftsweise bestimmende Element. Verschiedene Stile von Konsum, darunter green-growth-kompatible, müssen demnach sekundär sein und stehen folglich unter Verdacht, in einer auf Geltung und Wettbewerb gepolten Gesellschaft bloß eine Modevariante zu sein, um gegenüber anderen herauszustechen. Aber wer ist heute schon noch Marxist*in?

Umso denkwürdiger, dass der fast gleichlautende Verdacht heute meist von Rechtsaußen kommt. Mit Bolsonaros Worten: „Die Umweltfrage ist nur für Veganer“. Hier klingt der Vorwurf durch, ressourcenschonende Konsumstile seien von vornherein auf eine Profilierung gegenüber anderen und deshalb als eine Minderheitenposition („Veganer“) angelegt.

Noch ärger ist der fast immer sogleich folgende Vorwurf, ein derartiger Lebensstil sei davon getrieben, sich von Ärmeren abzusetzen und gar soziale Ungleichheit zu rechtfertigen.
Das ist weniger absurd, als es auf den ersten Blick scheint. Denn privilegierte Schichten haben schon immer ihre Privilegien implizit damit gerechtfertigt, dass sie wohltätiger, kulturbeflissener oder weniger krude rassistisch als die lokalen Unterprivilegierten handelten.

Trotzdem ist es schlicht schäbig, wenn Rechtspopulist*innen suggerieren, die Frage nach Sojamilch zum Kaffee laute übersetzt „normale Leute sollen sich kein Nackenkotelett mehr leisten können“.

Dass eine solche Gleichsetzung für einige von uns Plausibilität besitzt, liegt an einer dritten Form der Verkopplung von Ungleichheit und Ressourcenverbrauch.

Eine ressourcenräuberische Lebensweise stellt nämlich die Hauptzutat von „sozialer Gerechtigkeit“ in reichen Ländern. Bildlich: Vorher durch extreme Ungleichheit getrennte Schichten wurden in Europa mit kolonialem Zuckerguss zusammengeklebt. Neben Kriegen waren es erstmals für breitere Schichten in Europa zugängliche „Kolonialwaren“ von den Sklavenplantagen, mit deren Hilfe man sich als gemeinsame Nationen begreifen lernte.

Kennzeichneten Luxusprodukte einst die Zugehörigkeit zu einer winzigen Elite, so konnte eine von Reich wie Arm gemeinsam getragene Kolonialpolitik für beide Gruppen neuartige Mengen von Tabak, Tee oder Kakao verfügbar machen. Ganz ohne dass die Reichen etwas abgeben mussten, denn die Kosten blieben in Übersee.

Unsere heutige teilegalitäre Wohlstandsgesellschaft riecht nach Benzin. Es ist soziales Schmiermittel in Form klassenübergreifend geteilter Automobilität. Tierfutter aus der Amazonasregion, verwandelt ins täglich verfügbare Nackenkotelett, war lange die konkret erlebbare Basis, um hierzulande Superreiche und „normale Leute“ als eine politische Einheit mit gemeinsamem nationalen Interesse auffassen zu können.

Von „Externalisierungsgesellschaft“ spricht der Soziologe Stephan Lessenich, wenn der Sozialkompromiss im Globalen Norden es erfordert, wesentliche Kosten in externe Weltregionen zu verschieben, darunter die, die mit dem Ausstoß von Treibhausgasen verbundenen sind.
Wer hierzulande fordert, Fleisch dürfe nicht länger durch anderswo stattfindenden Raubbau verbilligt werden, sollte – mit Blick auf diesen historischen Sozialkompromiss – ergänzend klarstellen: Soll das heißen, dass das obere Drittel weitermacht wie bisher, aber das untere Drittel der Einkommenspyramide aus dem Nachkriegskompromiss herausgekickt wird?

Im Zuge dessen, dass Zugehörige vormals unterschiedlichen Klassen zu einer gemeinsamen neuen Konsumentenklasse umerzählt wurden, hat sich auch eine neue Identität formiert. In den Worten des Historikers und Schriftstellers Philip Blum: „Wie reagieren Menschen, denen ein Dauerregen an Bildern und Botschaften, an Produkten und Werbung über Jahrzehnte eingeredet hat, dass sie der Nabel der Welt sind, dass nur ihre Wünsche zählen, dass sie jedes Recht haben, dass alles davon abhängt, ob sie gerade Lust haben, wie reagieren solche Menschen auf eine historische Herausforderung“?

Klimagerechtigkeit

Ungleichheit ist ein entscheidender Faktor, ob preisbezogene Mechanismen gegen Ressourcenübernutzung funktionieren können. In voller Brutalität zeigt sich das Problem erst im weltweiten Maßstab: So ist der CO2-Fußabdruck der ärmsten zehn Prozent der Bevölkerung in den USA 500 mal größer als der der reichsten zehn Prozent in Nigeria.

Sollen Ressourcenpreise über ihre Höhe die tatsächlichen Kosten spiegeln, gehen zuerst in Äthiopien oder Pakistan die sprichwörtlichen Lichter aus, wie wir jüngst in der Ukrainekrise beobachten durften. Sehr lange, bevor Tiermastfutter in Deutschland unbezahlbar wird, wird die Nahrungsversorgung für hunderte Millionen südlich der Sahara zur Existenzfrage. Und wenn die deutschen Gasreserven aufzufüllen sind, dreht der ursprünglich für Pakistan bestimmte LNG-Tanker mitten auf der Fahrt gen Europa ab. Wenn das zu Ausfällen in der Stromerzeugung in Pakistan führt, nimmt davon hierzulande kaum jemand Notiz.

Ressourcenverbrauch ist so eng mit Kaufkraft gekoppelt, dass das Konzept, ihn über den Preis steuern zu wollen, erst einmal nur bei denen Verwerfungen produziert, die den geringsten Anteil an der Übernutzung haben. Weil das sogar schon in den neoliberalen 1990ern bekannt war, setzten die internationalen Klimavereinbarungen ersatzweise auf nationale Selbstverpflichtungen.
Auch das war und ist – darüber herrscht inzwischen nahezu Konsens – ohne soziale Komponente zum Scheitern verurteilt.

Noch schärfer formuliert: In einer massiv ungleichen Welt sind jeweilige nationale Ziele lediglich ein Feigenblatt. Wenn Deutschland sich vorrechnet, mit Erzen aus dem Amazonas irgendwann so viel regenerative Stromerzeugung aufgebaut zu haben, dass sich damit volle E-Automobilität betreiben ließe, wird uns der steigende Konsum in Schwellenländern trotzdem über jegliche Kipppunkte des Klimas tragen.

Denn dem CO2-Molekül ist es egal, welcher Länderbilanz wir es zurechnen. Oder wollen wir jene Weltregionen, die einen schnellen ökologischen Umbau und den Anschluss an unser Konsumniveau nicht gleichzeitig finanzieren können, gewaltsam in Armut halten?

„Climate Justice“ meint nicht nur, dass die Schuld am historischen Ressourcenraubbau ungleich verteilt ist und weiterhin 47 Prozent der globalen CO2-Emissionen von den reichsten 10 Prozent der Weltbevölkerung verursacht werden (zu denen wahrscheinlich auch nahezu jede Leserin und jeder Leser dieses Beitrags gehört). Es beinhaltet auch folgende Konsequenz: Wer Konsumchancen nicht gerecht teilen will, ist zu den dann unausweichlichen globalen Krisen verurteilt.

Konsequenz Konsumkorridor

Die bisherigen Argumente liefen darauf hinaus, dass ressourcenbewahrendes Umsteuern die Ärmeren fair teilhaben lassen muss und den Konsum der Reicheren nicht unangetastet lassen kann. Ein fairer, aber an wenig oder keine Konditionen geknüpfter Anteil an Konsumchancen wäre das „Grundeinkommen“.

Es muss, von der Form her, nicht zwangsläufig Geld sein, es könnte auch einen Anspruch auf regenerative Energieerzeugung beinhalten, zum Beispiel in Höhe von 1500 Watt pro Person. Ein globaler Umbau der energetischen Ressourcenversorgung könnte mit einem Basisanspruch, den wir jedem Menschen einräumen, umgesetzt werden: 1500 Watt als energetische Basis für ein gutes Leben. Auf der anderen Seite müsste man ressourcenpolitisch fragen: „Welche Art von Leben kann noch gut für andere sein?“

Ein Beispiel wäre die „2000-Watt-Gesellschaft“. Sie ist ein an der ETH Zürich entwickeltes Modell und mittlerweile eine Initiative Schweizer Kommunen. Die Mitglieder sehen sich von der Pflicht zum Energiesparen nicht ausgenommen, selbst wenn sie mehr Geld für Solarzellen investieren können als südlich der Sahara. Ausgehend vom weltweit mittleren Energieverbrauch je Mensch, der mit 2500 Watt knapp darüber liegt, will die Initiative auch für den Globalen Norden eine Obergrenze des Energieverbrauchs.

Nimmt man Energie-Grundeinkommen und -Maximalverbrauch zusammen, erhält man je Person einen energetischen Konsumkorridor: für ein gutes Leben, das auch noch gut für andere ist.
Auch für Nahrungsmittel macht ein solches Vorgehen unmittelbar Sinn: Weil Anbauflächen, aber auch Phosphordünger weltweit immer knapper, viele Bodenqualitäten und die Bewässerungsinfrastruktur immer gefährdeter sind, steht die Verteilung von Lebensmitteln längst auf dem Prüfstand.

Mit dem „Konsumkorridor“-Ansatz von Blättel-Mink et al., der wie die 2000-Watt-Gesellschaft aus der Schweiz kommt, ließe sich ressourcenpolitisch das gute Leben für alle vorstellbar machen. Seine Umsetzung würde schwerwiegende Fragen aufwerfen, aber um fünf vor zwölf schadet es nicht, daran zu erinnern, „there is no alternative“.

Auf der „Grenzen des Konsums“-Konferenz in Berlin am selben Tag, an dem die Gas-Expertenkommission vorschlägt, die Verbrennung von fossilen Ressourcen zu subventionieren, erinnert jedenfalls der parlamentarische Staatssekretär Christian Kühn daran, dass diese Regierung beschlossen habe, „die konsumbedingten CO2-Emissionen bis 2030 zu halbieren“. Wie das gehen soll, sagt er nicht.

Und der Präsident des Umweltbundesamtes Dirk Messner plädiert dafür, dass die Reichen global und in einzelnen Ländern ihren Konsum reduzieren müssten, damit für die Armen das Nötigste übrig bleibe. „Der Konsum in der westlichen Welt muss sich drastisch ändern“, fordert auch die Co-Vorsitzende des Club of Rome Mamphela Ramphele aus Südafrika. Zu sehen sei das aber nicht. Auch der Green Deal der EU mit seinem Hunger nach seltenen Rohstoffen und grünem Wasserstoff sei eher „der dritte koloniale Wettlauf nach Ressourcen“.

Dass der Konsum der Reichen die Probleme verschärfe, sagt auch Doris Fuchs, Professorin der Uni Münster. Ihr Vorschlag: die Festlegung von Konsumkorridoren zwischen Lebensnotwendigem und Maximalkonsum. Die Gesellschaft müsse allen helfen, das Minimum an notwendigem Konsum zu erreichen, aber nicht, alle Wünsche zu befriedigen, erklärt Fuchs.

Danach müssten Gesetze folgen, denn „bisher richten sich alle Gesetze auf Wachstum und Konsum. Sie zeigen also in die falsche Richtung“. Aber da hatte der Staatssekretär die Veranstaltung schon verlassen, schreibt die taz.


Dr. Andres Friedrichsmeier ist Soziologe und arbeitet im Thüringer Bildungsministerium. Zuletzt schrieb er im factory-Magazin Industrie (2/2021) über unsere Weltsicht auf Kohle und Stahl.

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