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  • COP 15 Abschlusskonferenz Montreal
    Bild: GBF

UN Biodiversitätsgipfel COP 15 beschließt globales Schutzabkommen

Die 15. Artenschutzkonferenz der Vereinten Nationen hat in Montreal tatsächlich zu einem neuen Abkommen geführt. Enthalten sind Ziele zum Schutz von mindestens 30 Prozent der globalen Land- und Meeresfläche, finanzielle Hilfen für ärmere Staaten und die Reduktion von Pestiziden und Subventionen.

Der COP 15 der Weltbiodiversitätskonferenz hat nun doch zu einem "Paris-Moemnt" für den Artenschutz geführt. Nach dem gescheiterten Klimagipfel im ägyptischen Scharm-el-Scheich, der keine schnellere Emissionsminderungen erreichen konnte, und dem gescheiterten Abkommen zum Schutz der Hochsee kommt dieser Erfolg eines UN-Gipfels gerade recht.

Dabei war schon vor über einem Jahr im Oktober der erste Teil der Weltnaturkonferenz im chinesischen Kunming mit der Paris-Hoffnung versehen worden. Nun wurde nicht Kunming sondern Montreal zum Paris des Artenschutzes, dennoch geleitet durch die chinesische Präsidentschaft des Gipfels, der zunächst 2020 wegen der Corona-Pandemie verschoben worden war und dann zweigeteilt zunächst online 2021 in Kunming und 2022 in Montreal stattfinden sollte.

Die COP-Präsidentschaft hatten die Teilnehmer während des zweiwöchigen Gipfeltreffens von 196 Mitgliedsstaaten vom 7. bis 19. Dezember 2022 zwar zunächst als "unambitioniert" empfunden. Dennoch legte die chinesische Leitung dann einen Tag vor Abschluss einen überraschend vielversprechenden Entwurf für ein neues globales Abkommen vor.

Ungebremster Artenverlust

Das war nötig geworden, weil keines der 20 Aichi-Ziele des letzten Biodiversitätsabkommens erreicht worden war. Diese hätten die Staaten zwischen 2010 bis 2020 in der sogenannten UN-Dekade der Biodiversität erfüllen sollen. 

Denn analog zur Klimakrise tut sich auch in der Bewältigung der Artenkrise durch Nicht-Erreichen gesetzter Ziele wenig bis nichts. Laut dem Living Planet Report 2022 des WWF nimmt das sechste große Massenaussterben weiterhin seinen menschengemachten Lauf. So hat die Menschheit seit 1970 durchschnittlich 69 Prozent aller beobachteten Populationen von Säugetieren, Vögeln, Fischen, Amphibien und Reptilien vernichtet.

Und die Vernichtung beschleunigt sich, die Erderwärmung hat daran einen Anteil von 15 Prozent – nach Regenwaldrodung und Wilderei drittwichtigster Faktor. Und umgekehrt: Die Verluste biologischer Vielfalt führen zu weniger CO2-Speicherung in Böden und Pflanzen, ökologische Gleichgewichtssysteme drohen zu kippen.

Inzwischen ist den Staaten durchaus klar, dass ihre Wirtschaft und ihre Krisenfestigkeit auch von dem Erhalt der Artenvielfalt abhängen. Nicht zuletzt die weltweite Corona-Pandemie hat das gezeigt. Schließlich haben die Ökosystemleistungen der Natur für die Menschheit einen nicht unerheblichen Wert. Laut Weltwirtschaftsforum hängen über 60 Prozent des globalen Bruttosozialprodukts von Leistungen der Natur ab.

30 Prozent Flächenschutz bis 2030 und mehr

Insofern ist es schon ein Erfolg, dass die Weltgemeinschaft mit dem jetzt erreichten Kunming/Montreal-Abkommen zumindest das zentrale Ziel von 30 Prozent Flächenschutz aufgenommen hat.

Für dieses sollen mindestens 30 Prozent der globalen Landes- und Meeresfläche bis zum Jahr 2030 unter Schutz gestellt werden – gegenwärtig sind es erst 17 Prozent an Land und acht Prozent mariner Flächen.

Die Staaten wollen außerdem mehr Geld für den Schutz der Artenvielfalt ausgeben. "Dafür sollen unter anderem reichere Länder ärmeren Ländern bis 2025 rund 20 Milliarden Dollar jährlich zukommen lassen", schreibt die tagesschau.

Dazu gab es Beschlüsse zur Reduktion von Pestiziden um 50 Prozent bis 2030, zum Abbau von umweltschädlichen Subventionen, die insgesamt 500 Milliarden weltweit umfassen und zur Begrenzung der Rate des Artensterbens auf ein zehntel der bisherigen Rate bis 2050.

Darüber hinaus wollen die Länder die weltweiten Nahrungsmittelverluste bis 2030 um die Hälfte reduzieren.

Forderungen ohne Verpflichtung

Transnationale Unternehmen und Finanzinstitutionen fordert das Abkommen auf, die Risiken und Folgen ihres Handelns und ihrer Lieferketten zu messen und darüber zu berichten. Verpflichtet sind sie dazu nicht, auch die Finanzakteure nicht zu biodiversitätsfreundlichen Investitionen.

Zwar gibt es Empfehlungen zum nachhaltigen Konsum, Forderungen, den Überkonsum einzuschränken und den Rohstoffverbrauch z. B. durch Kreislaufwirtschaft zu reduzieren, enthält das Abkommen jedoch nicht – obwohl das essenziell für den globalen Naturschutz wäre, schließlich gehen 90 Prozent des globalen Verlusts an biologischer Vielfalt auf die Ausbeutung und Verarbeitung von natürlichen Ressourcen zurück.

Die durch die Energiekrise erneut gestiegenen Investitionen in die fossile Infrastruktur machen ohne Einschränkungen auch nicht vor sensiblen Naturräumen halt, wie das factory-Magazin Ressourcen zeigt.

Die verabschiedete Erklärung ist rechtlich nicht bindend – Kritik kam dazu vor allem von den afrikanischen Staaten bei der siebenstündigen Abschlusssitzung der Konferenz.

Insgesamt enthält das Abkommen vier übergeordnete Ziele und 23 Umsetzungsziele. Darin ist auch die Forderung nach einer gerechten Aufteilung der Vorteile aus der Nutzung genetischer Ressourcen enthalten – auch wenn diese in digitaler Form vorliegen. "Gleiches gilt für Gewinne, die mithilfe von traditionellem Wissen im Zusammenhang mit genetischen Ressourcen gemacht werden", schreibt die taz.

Die Umsetzungsziele konkretisieren diese Ziele. Bis 2030 sollen mindestens 30 Prozent besonders "zerstörter Land- und Meeresflächen so wiederhergestellt werden, dass sich dort die Biodiversität verbessert und sie ihre Ökosystemdienstleistungen – etwa Wasser speichern oder die Luft reinigen – wieder wahrnehmen können." Das 30-Prozent Flächenziel soll besonders dort angewendet werden, wo eine hohe Artenvielfalt vorhanden ist. Meist ist das in den von Indigenen bewohnten Lebensräumen der Fall.

Lob und Kritik

Die Politik lobt die Vereinbarung als "historisches Ereignis". EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen spricht davon, es böte "eine gute Grundlage für globale Maßnahmen zur biologischen Vielfalt und ergänzt das Pariser Klimaabkommen“. Auch die deutsche Umweltministerin Steffi Lemke ist zufrieden: „Die Staatengemeinschaft hat sich dafür entschieden, das Artenaussterben endlich zu stoppen."

Für andere geht es nicht weit genug und ist zu wenig verbindlich: "Insgesamt reicht das Abkommen nicht aus, um das Massensterben der Arten aufzuhalten", kommentiert Jannes Stoppel, Politikexperte von Greenpeace Deutschland. Es schließe schädliche Aktivitäten wie industrielle Fischerei oder Holzeinschläge in Schutzgebieten nicht prinzipiell aus. Damit existiere der Schutz zunächst nur auf dem Papier. Dabei sei es besonders wichtig, dass das Abkommen endlich die Rechte Indigener und die lokaler Bevölkerungsgruppen besser anerkenne.

Zudem reiche die Finanzierung von jährlich 20 und später 30 Milliarden US-Dollar pro Jahr bei einer Finanzierungslücke von 700 Milliarden US-Dollar für den Naturschutz bei weitem nicht aus.

"Jetzt liegt es an den einzelnen Staaten, sich gegen die Agrar-, Holz- und Fischereilobbys durchzusetzen und den Schutz in ihren Gebieten so stark wie möglich zu gestalten", sagt Stoppel. Das gelte auch für Deutschland, denn auch hier seien bisher weniger als drei Prozent der Wälder und weniger als ein Prozent der europäischen Meeresgebiete strikt vor industrieller Ausbeute geschützt. In den meisten Schutzgebieten würden bisher einfach weiter Bäume gefällt oder industriell gefischt.

Das Stockholm Environment Institut weist darauf hin, dass eines der Ziele des Abkommens auch auf die Förderung nachhaltigen Konsums zum Schutz der Natur fokussiere. Der Global Environmental Impacts of Consumption Indicator (GEIC) ist einer von drei Indikatoren, mit dem die Staaten dieses Ziel messen können.

Ambitionierte Staaten gefordert

Slow Food erkennt an, dass es sich hierbei um ein historisches Abkommen handelt, kritisiert aber zugleich die Schlupflöcher, die sich auftun. So seien Unternehmen etwa nur ermutigt aber nicht verpflichtet, Bericht über die Auswirkungen ihres Wirtschaftens auf die biologische Vielfalt zu erstatten.

Negativ sei auch, dass sich die Staaten nur auf eine Reduktion des Gesamtrisikos durch Pestizide um mindestens 50 Prozent geeinigt hätten, nicht aber auf eine entsprechende Verringerung der Verwendung von Pestiziden.

Das Artenschutzabkommen werde die Erwartungen nur dann erfüllen, wenn es wirksam umgesetzt wird und die dafür versprochenen und notwendigen Ressourcen sehr zeitnah bereitgestellt werden. Jedoch wird in der Vereinbarung kein Kontrollverfahren festgelegt, das Regierungen zur Rechenschaft zieht, falls sie ihre Ziele verfehlen, bemängelt nicht nur Slow Food. Die Länder müssten den globalen Rahmen für die biologische Vielfalt jetzt in ehrgeizige nationale Pläne und Strategien übersetzen fordern die Nichtregierungsorganisationen.

Auf die Ziele hat man sich geeinigt, jetzt kommt es wie nach Paris 2015 auf die Umsetzung durch die Staaten an. 2022 haben diese für den Klimaschutz kaum etwas erreicht. Sie wollen zwar am 1,5 Grad Ziel festhalten, sind aber auf dem Weg zu 2,5 bis 3 Grad. Hoffen wir, dass Kunming/Montreal dieser Paris-Effekt erspart bleibt.

Mehr zur Bedeutung der Biodiversität und der Vielfalt als generelle Ressource im factory-Magazin Vielfalt. Mit welchen Mitteln sich der Ressourcenschutz am besten umsetzen lässt, lesen Sie im factory-Magazin Ressourcen. Und in den jeweiligen Themenbereichen.

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