Steuern

Die ökologische Wahrheit: Ressourcensteuern für mehr Effizienz

Weil die ökonomischen Anreize fehlen, investieren zu wenige Unternehmen in ökologische Innovationen und greifen Verbraucher kaum zu ressourcenleichteren Produkten und Dienstleistungen – so bleiben große Einsparpotenziale ungenutzt. Wissenschaftler empfehlen ein ganzes Bündel an ökonomischen Instrumenten, um den Ressourcen- und damit auch den Klimaschutz zu verbessern.

Von Bettina Bahn-Walkowiak und Henning Wilts

Dieses Land ist ein Steuerparadies der besonderen Art: In einem Ranking der Umweltsteuern aller 28 EU-Länder belegt Deutschland 2017 mit einem Anteil von 4,6 Prozent Umweltsteuereinnahmen am Gesamtsteueraufkommen einen traurigen vorletzten Platz. Andere Länder überschreiten bereits die 10-Prozent-Marke, die der Fahrplan der EU-Leitinitiative „Ressourcenschonendes Europa“ 2011 als Ziel für das Jahr 2020 proklamiert hatte. Dazu gehören z. B. Lettland (11,2 Prozent), Griechenland (10,2 Prozent) und Slowenien (10,2 Prozent).

Es ist wie überall: Das herrschende Steuersystem und das Preisgefüge der Produktionsfaktoren benachteiligt die menschliche Arbeit erheblich gegenüber den Rohstoffen und der Energie. Doch dieses Ungleichgewicht ist in Deutschland wegen der hohen Sozial­leistungsabgaben besonders stark ausgeprägt. Deshalb zielen viele ­mikro- und makroökonomische Umstrukturierungsprozesse nach wie vor auf die Senkung der Arbeitskosten, obwohl der Anteil der Arbeitskosten an den Betriebsausgaben mit je nach Branche etwa 18 bis 24 Prozent häufig geringer ist als der der Materialkosten mit rund 30 Prozent.

Zu wenig Anreize zur Ressourcenschonung

Obwohl weitgehend Einigkeit darüber herrscht, dass Umweltsteuern auch eine Möglichkeit zur Senkung der Arbeitssteuern bieten und damit zu einer doppelten Dividende für Beschäftigung und Umwelt führen können, und obwohl eine Reihe von Ländern bereits erfolgreich Ökosteuerreformen eingeführt hat – häufig als Energiesteuerreformen, wie auch Deutschland im Jahr 1999 –, gab es hierzulande seit 2003 keinen dynamischen Anreiz und keinen ernsthaften Vorstoß zur Reaktivierung oder Reform der Ökosteuern. Nun existiert immerhin eine Debatte um CO2-Steuern.

Die Idee einer Ressourcensteuer als marktbasiertes Instrument des Ressourcenschutzes baut natürlich stark auf den neoklassischen Annahmen des „homo oeconomicus“ auf: Demnach ist jedes Individuum stets bemüht, optimale Entscheidungen zu treffen und seine Bedürfnisse zu den geringsten Kosten wie möglich zu befriedigen. In einer solchen idealisierten Welt, in der jeder zu jeder Zeit über sämtliche (Preis-)Informationen verfügt – und dass ohne jeglichen Zeitaufwand – würde die Besteuerung von Produkten auf Basis ihrer Ressourcenintensität zu unmittelbaren Verhaltensänderungen führen: Käufer und Verbraucher würden nicht nur plötzlich die Produkte bevorzugen, die z. B. einen höheren Anteil recycelter Materialien enthalten; sie würden auch grundsätzlich überlegen, ob sich Urlaubsreisen mit dem Flugzeug tatsächlich noch lohnen, wenn aufgrund hoher Anreisekosten kein Geld mehr in der Reisekasse für Unterkunft und Verpflegung ist.

Der Marktmechanismus würde dafür genutzt, Preise so anzupassen, dass am Ende ein insgesamt besseres Ergebnis für den gesellschaftliche Wohlstand erreicht wird – die ineffiziente Verschwendung natürlicher Ressourcen würde beendet, die heute zu teilweise abstrusen Fehlentwicklungen führt: Denn wie kann es sein, dass für den Abbau von fossilen Energieträgern weiter ganze Dörfer weichen müssen, obwohl der Ausstieg aus der Kohle längst beschlossen ist … ?

In der Praxis stellt sich jedoch schnell die Frage, wo eine Ressourcensteuer einen wirklich ausreichenden Anreiz zur Veränderung von Verhaltensmustern erzielen könnte. Ein häufig genanntes Beispiel sind Mobiltelefone: Statistisch gesehen nutzt jeder in Deutschland 1,2 dieser Geräte. Getrieben durch clevere Vertragsgestaltungen oder auch das Abstellen von Softwareupdates ersetzen Nutzer ihre Smartphones zudem immer schneller, obwohl sie rein technisch gesehen noch deutlich länger halten würden.

Verbessern Steuern die Wertschätzung?

Die Sammelquoten für Handys in Deutschland sind noch immer miserabel, sie werden in Schubladen gelagert, enden im Restmüll oder im Schredder zusammen mit Billiggeräten wie Toastern oder Föhnen – die enthaltenen Edelmetalle wie Gold, Palladium oder Indium gehen dabei in der Regel unwiderruflich verloren. Diese extrem ressourcenintensiven Rohstoffe führen auch dazu, dass ein übliches Handy mit einem Gewicht von 80 Gramm einen ökologischen Rucksack von rund 75 Kilogramm aufweist.

Eine Ressourcensteuer sollte hier also einen relevanten Anreiz setzen, bewusster mit diesen Geräten umzugehen. Tatsächlich würde aber auch eine Rohstoffsteuer von z. B. 10 Euro pro Tonne den Preis eines Handy um gerade 75 Cent erhöhen – bei einem Verkaufspreis von teilweise über 1.000 Euro. Der Steuerungseffekt gerade bei Produkten mit einem hohen Anteil der Wertschöpfung in der Verarbeitung – und natürlich im Marketing – wäre vermutlich also überschaubar.

Deshalb sind verschiedene Steuerformen in der Diskussion: Input-Steuern können in der Phase der Ressourcenextraktion greifen, während Pigou-Steuern häufig effizienter auf Produktionsprozesse anwendbar sind (z. B. in Form der Besteuerung von Nebenprodukten der Produktion, wie Emissionen, Abfällen, Verschmutzungen und damit indirekt die Produktionsweise beeinflussend). Outputsteuern wie Produktsteuern werden hingegen erst am Ende der Produktionsphase wirksam. Auch am Ende der Produktlebensphase ist eine Besteuerung in Form von Abfall- und Entsorgungssteuern denkbar und praktikabel. Obwohl doch der Preisanreiz das zentrale Instrument einer Marktwirtschaft ist, ist die Lenkungswirkung von Steuern zumeist stark umstritten.

Ein Bündel an Möglichkeiten

Natürlich können Steuern sowohl einen negativen, sanktionierenden Anreiz setzen als auch positiv „lenken“, werden sie als Steuerentlastungen eingesetzt. Dies wird auch durchaus genutzt: z. B. bei der Mehrwertsteuer, wo aus sozialen Erwägungen ermäßigte Steuersätze auf die Produkte und Dienstleistungen (wie Nahrungsmittel, ÖPNV u.a.) gewährt werden, weil sie zu den Grundbedürfnissen gehören.

Eine ökologische Differenzierung der Mehrwertsteuer beispielsweise könnte zum Beispiel grundlegende Signalwirkungen erzeugen, die darauf abzielen, Innovationen und weitere Ressourceneffizienzfortschritte bei den Produzenten anzustoßen und am Ende der Wertschöpfungskette auch die Verbraucher*innen adressieren,. Eine Reihe von EU-Ländern nutzt bereits die von der EU eingeräumte Entlastung von Reparatur- und Handwerksdienstleistungen durch ermäßigte Mehrwertbeteuerung. Weitere Optionen werden voraussichtlich im Zuge der geplanten EU-Mehrwertsteuerreform möglich werden.

In der Diskussion ist außerdem eine Primärbaustoffsteuer, die als Extraktions- und Mengensteuer zu konzipieren wäre und in vielen EU-Ländern schon seit langer Zeit bereits selbstverständlich eingesetzt wird. Auch die Zementindustrie hat sich mit diesem Instrument konstruktiv auseinandergesetzt.

Ein Problem sind hier die noch ungenügend vorhandenen Recyclingbaustoffe, die den Bedarf nach Primärbaustoffen mindern könnten. Deshalb wird z. B. auch eine Steuer auf die Verfüllung mineralischer Bau- und Abbruchabfälle diskutiert. Sie soll so wirken, dass ein größerer Anteil dieses Abfallstroms einer hochwertigen statt wie bisher der minderwertigen Verfüllung im Straßenbau o. ä. zugeführt wird. Auch für andere Materialien werden steuerliche Ansätze diskutiert, wie z. B. eine Produktressourcensteuer für Stahl, Aluminium und Kunststoffe. Ihr gewünschte Wirkung wäre, Recyclingquoten zu erhöhen, das Downcycling zu verringern und Sekundärquellen zu erschließen.

Als positive Anreize für Betriebe und Unternehmen könnten beispielsweise steuerliche Begünstigungen für die Einführung von betrieblichen Ressourcenmanagementsystemen wirken; auch eine flächendeckende und nicht nur punktuelle Einführung von Förderprogrammen für Ressourceneffizienzinvestitionen und Umweltmanagementsysteme hätte sicherlich große Effekte. Im Hinblick auf die beschriebene Problematik bei Mobiltelefonen und den damit verbundenen erheblichen Materialverlusten von kritischen Rohstoffen wird zum Beispiel ein Pfandsystem auf Elektro- und Elektronikkleingeräte diskutiert, um einer Hortung und Fehlentsorgung entgegenzuwirken.

Vielversprechende Wirkungen

Die Grundidee, die Ressourcennutzung an Steuern zu koppeln, soll einen kontinuierlichen Anreiz für Produzenten und Verbraucher zur Effizienz schaffen. Sie sollen so bewusst darüber nachdenken, ob es nicht effizienter ist, eher in die Verringerung des Ressourcenverbrauchs zu investieren oder ressourceneffizientere Produkte zu kaufen, als die entsprechende Steuer zu zahlen. Damit kann auch die schrittweise Abschaffung veralteter ressourcenineffizienter Produkte und Technologien angestoßen werden, und Akteure, die sich nicht an die notwendigen Umweltanforderungen anpassen, verschwinden vom Markt.

Ohne Frage würde es hierbei Gewinner und Verlierer geben. Die Primärindustrie, der Bausektor, die Produzenten veralteter ressourcenintensiver Technologien, Produkte und Dienstleistungen und Innovationsverweigerer dürften mittel- bis langfristig zu den Verlierern gehören, sofern sie einen Strukturwandel nicht konstruktiv mitzugestalten vermögen – oder eine neue Rolle im Wirtschaftsgefüge einnehmen und neue Geschäftsmodelle ersinnen. Vorausschauende Innovatoren und so genannte „early adopters“ wären sicherlich auf der Gewinnerseite, mittelfristig würden auch die Anbieter und Hersteller der ressourceneffizientesten Technologien, Produkte und Infrastrukturen, der Reparatursektor sowie die Recycling- und Kreislaufwirtschaftsindustrie Wettbewerbsvorteile erringen – und auch die Regionalwirtschaft könnte profitieren.  

Mehrere Studien belegen deutliche Nachfrageverschiebungen zugunsten von ressourcenärmeren Industrien und Investitionserhöhungen für ressourceneffizientere Technologien, wenn der Preismechanismus zur Nachfragelenkung genutzt wird und die steuerlichen Elemente als Teil eines umfassenden Policy Mixes eingeführt werden. Das UBA-Projekt SimRess zeigt, dass – wenn alle direkten, indirekten und Rebound-Effekte berücksichtigt werden – Einsparungen zwischen 25 und 40 Prozent bis 2050 erwartet werden können. Gleichzeitig wird aber auch festgestellt, dass sich „selbst bei einer großen produktionsseitigen Systemtransformation nicht der (...) häufig genannte langfristige Zielkorridor von fünf bis acht Tonnen Rohstoffbedarf pro Kopf erreichen lässt“.

Die Mischung machts

Die Beispiele zeigen, dass eine erfolgreich einzuleitende Ressourcenwende, wie sie das Wuppertal Institut fordert, eine Ressourcensteuer in eine umfassende ökologische Steuerreform einbinden muss, die auch die Konsumentenseite berücksichtigt: Nur so wären alle Produktionsstufen und Sektoren direkt oder indirekt betroffen und könnten als klarer Innovationsanreiz zur Förderung von Recycling, Wiederverwendung und Kreislaufwirtschaft wirken. 

Analog zur CO2-Steuer hängt bei der Ressourcensteuer die Durchschlagskraft der Effekte auch davon ab, wie der Staat diese zusätzlichen Einnahmen nutzt. Weil Steuern grundsätzlich nicht zweckgebunden sind, gehen sie in den Gesamthaushalt ein – der Staat kann sie also nutzen, wie er möchte. In der Realität wird allerdings jede Regierung eine Antwort darauf geben müssen, wofür sie die Einnahmen einsetzen will. Sollte die Ressourcensteuer im Worst Case dazu dienen, zum Beispiel den weiteren Straßenausbau zu finanzieren, werden die Gesamteffekte ganz andere sein, als wenn damit der Ausbau von Radwegen unterstützt wird.

Die Einbindung in einen Gesamtmix ist bei der Ressourcensteuer auch deshalb dringend zu empfehlen, weil sie unabhängig von der finanziellen Leistungsfähigkeit eines jeden Einzelnen erhoben wird: Ähnlich wie die Mehrwertsteuer trifft sie den Sozialhilfeempfänger genau wie den Millionär in der exakt gleichen Höhe für jedes einzelne Produkt; gemessen am Einkommen bevorteilt sie daher höhere Einkommensgruppen. Damit eine Ressourcensteuer aber tatsächlich sozial akzeptiert und mehrheitsfähig wird, müsste hier ein entsprechender Ausgleich geschaffen werden, z. B. durch eine Reduktion der Mehrwertsteuer in bestimmten Bereichen oder Entlastungen durch Bonus- oder Prämiensysteme.

Mehr wäre längst machbar

Immer noch vernachlässigen die volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen und die betriebswirtschaftlichen Bilanzen die realen Kosten des Ressourcenverbrauchs und der nachfolgenden Umweltbelastungen: Sie externalisieren diese in den öffentlichen Sektor, in andere Volkswirtschaften und Regionen oder überlassen sie gleich den nachfolgenden Generationen. Dies gilt nicht nur für die zweifellos notwendigen Maßnahmen gegen den Klimawandel, sondern ebenso sehr in Bezug auf den Ressourcenverbrauch. Kennzeichen dafür ist der jährlich im Kalender weiter nach vorn wandernde „Earth Overshoot Day“: Im Jahr 2019 war bereits am 29. Juli die Regenerationsfähigkeit der Erde überschritten - so früh wie nie zuvor. Derzeit benötigen die Menschen die Ressourcen von 1,7 Planeten. Die Folgen der Übernutzung sind Klimawandel, Artensterben, verarmende Böden und zunehmende Konflikte, um nur einige zu nennen.

Das Maß der heute erhobenen Ressourcensteuern bleibt leider dramatisch weit unter den Möglichkeiten einer ökologischen Umgestaltung des Steuersystems. Bis heute erhalten weder Produzenten noch Verbraucher ein klares Signal. In Europa werden zwar einzelne Ressourcen mit relativ niedrigen Raten besteuert oder mit Gebühren belegt, doch der Beitrag zum gesamten Steueraufkommen ist marginal, demzufolge auch die Wirkungen.

Natürlich sind die Herausforderungen gewaltig, denn Steuersysteme sind komplex und die Wirkungen vielfältig. So sind z. B. die Einkommenswirkungen einer Ressourcensteuer sorgfältig zu prüfen und gegebenenfalls Kompensationsmaßnahmen für schwächere Einkommensgruppen zu entwerfen. 

Die ökonomische Forschung und entsprechende Forschungsförderung hat hier jedenfalls deutlichen Nachholbedarf. Bis heute gibt es viel zu wenige Modellierungen und Studien, die untersuchen, in welcher Weise und unter welchen Bedingungen Ressourcenbesteuerungen wirkungsvoll gestaltet und eingesetzt werden können, um dazu beizutragen, dass die „Preise (endlich!) die ökologische Wahrheit sagen“.

Bettina Bahn-Walkowiak ist Projektleiterin in der Abteilung Kreislaufwirtschaft des Wuppertal Instituts, Dr. Hennings Wilts leitet diese Abteilung. Im factory-Magazin Digitalisierung schrieb er zuletzt über den Digitalen Kreislauf.

Weitere Beiträge zum Thema können Sie im gleichnamigen factory-Magazin Steuern lesen. Das lässt sich kostenlos laden und ist angenehm lesbar auf Bildschirmen und Tablet-Computern. Wie immer ist es dazu hübsch illustriert und enthält sämtliche Artikel im kompakten Tablet-Format, dazu entsprechende Zahlen und Zitate. Online im Themenbereich sind ebenfalls einige Beiträge verfügbar – dort lassen sie sich auch kommentieren und bewerten.

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