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Klimakrise bedroht Gesundheit von Kindern

Die Klimakrise treibt weitere gesellschaftliche Krisen an und bedroht in den nächsten Jahren und Jahrzehnten die Gesundheit nicht nur von Älteren und chronisch Kranken sondern vor allem von Kindern und Jugendlichen. Das geht aus dem ersten "Kindergesundheitsbericht" der Stiftung Kindergesundheit hervor.

"Wenn Gesundheit auf dem Spiel steht, steht alles auf dem Spiel." So Generaldirektor der Weltgesundheitsorganisation (WHO) Dr. Tedros Adhanom Ghebreyesus zum World Health Summit 2022 in Berlin.

Für die folgenden Generationen gilt das ganz besonders. Die gesundheitlichen Auswirkungen des Klimawandels, von Pandemie und Krieg seien schon heute zu spüren, sagt der Münchner Kinder- und Jugendarzt Prof. Dr. Dr. Berthold Koletzko, Vorsitzender der Stiftung Kindergesundheit anlässlich der Vorstellung des Berichts.

„Steigende Druchschnittstemperaturen, Extremwetter und Hitzeperioden führen schon jetzt zu einem deutlichen Anstieg von Infektionskrankheiten und zu Krankenhausbehandlungen. Kinder und Jugendliche werden auch durch eine Zunahme allergischer Erkrankungen belastet. Erschwerend kommt hinzu: Die heutigen Kinder werden im Verlauf ihres späteren Lebens besonders lange mit den veränderten Umständen und deren oft schädlichen Folgen konfrontiert“.

Denn momentan befinden sich die wirtschaftsstärksten Staaten auf dem Kurs zu 2,7 statt 1,5 oder 2 Grad höherer Erderwärmung. Bis zum Ende des 21. Jahrhunderts könnte eine globale Erwärmung von bis 4,8 Grad Celsius eintreten.

Kinder weniger gut auf sich schnell erwärmende Welt vorbereitet

Ein Kind, das heute geboren wird, würde also als Erwachsener in einer Welt leben, die fast fünf Grad Celsius wärmer ist als die Welt während der Kindheit seiner Eltern. Das habe weitreichende Folgen für die Gesundheit von Kindern und Jugendlichen, erläutert der „Kindergesundheitsbericht“.

So könne sich der noch unfertige kindliche Organismus nur schwer auf belastende Umwelteinflüsse wie z. B. Hitze einstellen. Seine Fähigkeit zur Regulierung der Körpertemperatur durch Schweißproduktion sei noch nicht vollständig entwickelt. Bei extremen Hitzewellen, wie z. B. zuletzt im Jahre 2003, drohen besonders Säuglingen und jüngeren Kindern Austrocknen, Hitzschlag und Sonnenstich.

Mit der zunehmenden Sonnenscheindauer wächst zudem die Belastung durch UV-Strahlung. Diese wiederum gilt als Hauptursache von Hautkrebs. Laut Bericht hat sich seit dem Jahr 2000 die Zahl der Hautkrebsfälle mehr als verdoppelt: Die Zahl der Neuerkrankungen lag zuletzt beim malignen Melanom (schwarzer Hautkrebs) bei ca. 23.000 und beim „weißen“ Hautkrebs bei ca. 230.000 Fällen.

Der Anstieg der Durchschnittstemperaturen führt zur Zunahme von Allergien und begünstigt das Auftreten neuer Allergene. „Die klimatischen Veränderungen führen auch zu zeitlich veränderten Jahreszeiten mit einem früheren Frühlingsbeginn und oft einer längeren Pollenflugzeit“. Auch das Wachstum von Schimmelpilzen wird durch die Kombination von erhöhtem CO2, dem früheren Einsetzen des Frühlings, wärmeren Wintern sowie regional höheren Niederschlägen gefördert.

Ein aktuelles Beispiel für die Zunahme von Allergien sei die durch den Klimawandel begünstigte Ausbreitung von „Ambrosia artemisiifolia L.“, ein Asterngewächs, das hoch allergen ist und dessen Pollen als Auslöser von Beschwerden wie Heuschnupfen, Asthma oder atopischer Dermatitis gelten.

Schwere und Mehrfach-Allergien werden zunehmen

Die auch als Ragweed, Traubenkraut oder Hohe Ambrosie bezeichnete Pflanze produziert vom Hochsommer bis zum ersten Frost sehr große Mengen an Pollen, die zu den aggressivsten Inhalationsallergenen gehören. Fachleute schätzen, dass Ragweed weltweit für mehr Allergien verantwortlich ist als alle anderen Allergie-auslösenden Pflanzen zusammen. Eine einzelne Pflanze produziert bis zu 60.000 Samen, die mit dem Wind verbreitet werden und im Boden bis zu 40 Jahren keimfähig bleiben.

Nach aktuellen Prognosen könnte sich die Anzahl der Menschen, die aufgrund von Ambrosia-Pollen an Heuschnupfen leiden, in nur 19 Jahren verdoppeln, und zwar von derzeit 33 auf 77 Millionen Europäer. Durch seine späte Blüte- und Pollenflugzeit im Spätsommer und Herbst kann Ambrosia bei Kindern mit bestehenden Pollenallergien zu einer fast ganzjährigen Krankheitslast führen, betont die Stiftung Kindergesundheit.

Eine Studie aus Baden-Württemberg ergab, dass bereits 2008 zehn bis 15 Prozent der untersuchten Kinder gegenüber Ambrosia sensibilisiert waren. Höhere Konzentrationen an Ambrosia-Pollen und eine längere Pollensaison könnten auch den Schweregrad der Symptome verstärken. Wer eine Allergie auf Ambrosiapollen entwickelt hat, muss sich leider auch vor bestimmten Lebensmitteln in Acht nehmen: So genannte Kreuzallergien bestehen zu Bananen, Gurken, Melone, Zucchini, Beifuß, Sellerie und zur echten Kamille.

Steigende Durchschnittstemperaturen, Hitzewellen, Dürreperioden oder Extremwetterereignisse wie Starkregen beeinflussen auch das Auftreten von sogenannten vektorübertragenen Infektionskrankheiten, erläutert der „Kindergesundheitsbericht“. Als Vektoren bezeichnet man lebende Organismen, die Krankheitserreger von einem infizierten Tier oder Menschen auf andere Menschen (oder Tiere) übertragen. Zu den wichtigsten Vektoren zählen Arthropoden (Gliederfüßer) wie Stechmücken, Zecken, Sandfliegen oder Läuse und auch Nagetiere.

Von Zecken übertragene Krankheiten werden sich stärker verbreiten

So breiten sich im Zuge der klimatischen Veränderungen invasive Mückenarten auch in Europa immer weiter aus. Inzwischen sind auch die Asiatische Tigermücke und die Gelbfiebermücke hier heimisch. Mit den zukünftig veränderten klimatischen Bedingungen und der zu erwartenden Temperaturzunahme ist mit einer weiteren Verbreitung dieser Überträger der Infektionsleiden West-Nil-Fieber, Chikungunya-Fieber und Dengue-Fieber zu rechnen.

„Das aktuell weitaus bedeutendere Risiko betrifft jedoch die deutliche Zunahme an bereits heimischen vektorübertragenen Erkrankungen wie der durch Zecken übertragenen Krankheiten Lyme-Borreliose und der Frühsommer-Meningoenzephalitis (FSME)“, betont die Stiftung Kindergesundheit.

Eine schnelle Lösung der Probleme ist nicht in Sicht. Deshalb müssten die Anstrengungen in Forschung, Versorgung und Politik verstärkt werden, fordert die Stiftung Kindergesundheit. Die bereits heute deutlichen Auswirkungen der Klimakrise erlaubten keinerlei Verharmlosung.

"Gesundes Leben für alle" ist eines der 17 globalen Nachhaltigkeitsziele (SDG), die die Vereinten Nationen seit 2016 innerhalb von 15 Jahren bis 2030 eigentlich erreichen wollen. Der Sustainable Development Report 2022 zeigt, dass die Länder zum zweiten Mal in Folge keine Fortschritte bei der Umsetzung machen. Zahlreiche, parallel verlaufende internationale Krisen hätten die Fortschritte ins Stocken gebracht.

Wie sich Gesundheit, Ernährung und Klima zusammendenken lassen, hatte das NGO-Netzwerk Agenda 2030 in einem Bericht zum Stand der SDG-Umsetzung an einzelnen Beispielen gezeigt.

Auf dem World Health Summit 2022 gab es ebenfalls Ermahnungen zum Handeln: „Die Gesundheitskrise ist eng mit der Umweltkrise verbunden. Wir müssen etwas gegen den Klimawandel tun, den Verlust der biologischen Vielfalt und die Umweltverschmutzung", sagte Steffi Lemke, Bundesministerin für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz.

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