Am 23. September 2022 ist es wieder soweit. Weltweit sollen an diesem Tag in tausenden Orten möglichst viele Menschen zusammen kommen, um für mehr Klima- und soziale Gerechtigkeit zu demonstrieren.
Denn dass die soziale und die Klimakrise einander bedingen und sich gegenseitig verstärken, bleibt auch einer breiteren Öffentlichkeit nicht länger verborgen. Und so plädiert auch der renommierte Club of Rome, der diese Krisenentwicklung bereits vor 50 Jahren thematisierten, in seinem neuen Bericht und dem Projekt Earth4All für mehr Gleichheit, um die globale Bedrohungslage zu reduzieren.
Diese wächst eben nicht nur durch das Erreichen von Klimakipppunkten, die sich bereits beim Überschreiten von 1,5 Grad Erderwärmung ergeben – mit katastrophalen Folgen auch für die soziale Entwicklung. Sondern auch durch den fortgesetzten Ausbau der fossilen Energien in Form von verflüssigtem Frackinggas aus den USA oder neuen Erdgasfeldern im Senegal, der Finanzierung von beheizten Schwerölpipelines in Ostafrika oder der Reaktivierung von Kohlekraftwerken und der weiteren Braunkohleförderung.
Für soziale Sicherheit im Norden ...
Dabei erklären die entscheidenden Regierungen diese Politik mit der Sicherung der Energie- und Nahrungsmittelversorgung für alle – angesichts von Ukraine- und Preiskrise. Schließlich steigen die Belastungen durch höhere Preise besonders für die weniger bis mittleren Vermögenden.
Dass es aber auch ganz anders ginge, indem zum Beispiel viel stärker die derzeitigen Übergewinne der Krisengewinner*innen in den Ausbau der erneuerbaren Energien, des ÖPNV und des wirtschaftlich-sozialen Ausgleichs fließen müssten, dringt wenig durch.
Dass auch die höheren Kosten bei weiterer Verzögerung einer schnellen Energie- und Agrarwende von den gering bis mittel Privilegierten getragen werden, weil sich das Weiter-so-Wirtschaften bei einem Nicht-Handeln weiter verteuert, scheint auch kein Wegweiser für ökologisch und sozial gerechte Politik zu sein.
Selbst die andauernden Hinweise darauf, dass die Industriestaaten ihre Fleischproduktion einschränken müssten, um die auch sie nährenden Öko- und Wirtschaftssysteme samt Gesellschaft zu erhalten, scheinen nicht zu fruchten. Dabei ließe sich mit einer biologischen Landwirtschaft sogar das Gas für die Dünger und Pestizidproduktion sparen – zudem wäre sie produktiver, würde das weitere Artensterben verhindern und und und ...
Nach wie vor fördert das herrschende Wirtschaftsdogma das Weiter-so, was derzeit zu einer eher drei Grad wärmeren als einer halbwegs vor Kipppunkten gesicherten 1,5 Grad wärmeren Welt führt.
Kurz vor dem globalen zehnten Klimastreik, der nach dem im März 2022 nun erneut unter dem Motto #PeopleNotProfit steht, hat Fridays for Future Deutschland (FFF) zusammen mit Wissenschaftler*innen einen Vorschlag für konkretes Handeln statt des Weiter-so vorgelegt: Die Einrichtung eines Sondervermögens von 100 Milliarden Euro für Klima und Sicherheit – ähnlich dem für die Ertüchtigung der Bundeswehr.
"Bei der militärischen Sicherheit hat es geklappt", sagte Fridays-Sprecherin Annika Rittmann bei der Vorstellung am 13. September 2022. "Jetzt ist die soziale Sicherheit dran." Marcel Fratscher, Leiter des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) hält die staatlich induzierte Investitionen in Infrastrukturumbau und für die schnellere Energie-, Verkehrs- und Wärmewende für gute Wirtschaftspolitik.
Der soziale Staat investiert oder er verliert
Und Geld sei genug da, so Fratzscher. Die Mehreinnahmen des Bundes durch die Inflation dürften dieses Jahr bei 60 Milliarden Euro liegen. Auch Übergewinnsteuern, wie sie andere Länder für eine kostenlosen ÖPNV nutzen, wären möglich. Mit der Aussetzung der Schuldenbremse ließen sich weitere Investitionen ermöglichen.
Was alles zu tun ist, und wie sich ein klimaneutrales Energiesystem schon bis 2035 erreichen ließe, hatte FFF schon 2020 vom Wuppertal Institut untersuchen lassen.
Dass nun der ungebremste Klimawandel den Rechtspopulismus voran treibt, wird zunehmend sichtbar. Zu Vertretern wie Bolsonaro und Orban kommen weitere rechts dominierte Regierungen in Schweden und Italien. Die kompromisslose Verteidigung des imperialen Lebensstils mit unverantwortlichem ökologischen Fußabdruck kann plausibel Basis für eine Koalition von Milliardären mit den Stahlarbeiter*innen sein, heißt es im factory-Magazin Change zur Plattentektonik der sozialen Frage.
Mit dem Weiter-so wollen die Regierungen den sozialen Frieden im Preiskrieg sichern, ohne das Kapital und Krisengewinner*innen sich daran beteiligen müssen. Ein radikal notwendiges Umsteuern ist von rechten Regierungen nicht zu erwarten - aber jede weitere Verzögerung verschiebt das Gewicht auf die rechte Seite.
Deswegen ist es weiterhin durchaus zeitgemäß, wenn FFF weltweit die Menschen vor Profite stellt, auch wiederholt. Und immer noch ist es die größte Klima- und Gerechtigkeitsbewegung der Welt, auch wenn die großen millionenstarken Demonstrationen und "zersetzenden" Schulstreiks Vergangenheit sind. FFF bleibt die global verbindendste Zukunftsbewegung in Sachen gerechter Wandel.
Die Veränderungen in der öffentlichen Wahrnehmung wie auch die juristische Erfolge zur Verschärfung von Klimaschutzgesetzen haben wir FFF zu verdanken. Und gerade jetzt ist der gemeinsame globale Klimastreik so wichtig wie nie, wenn im Senegal junge Aktivist*innen gegen neue Erdgasfelder protestieren und auch in Kanada, Russland und Südamerika protestiert wird.
Wer wissen will, wo und wann welche Aktionen geplant sind, findet auf den FFF-Seiten eine Streikkarte.
Mehr zur Notwendigkeit des Wandels inklusive Gerechtigkeit im factory-Magazin Change. Was konkret zu tun ist, lässt sich noch einmal im factory-Magazin Klimaneutral nachlesen. Wie wichtig die Vielfalt ist, nicht nur bio, sozial sondern auch wirtschaftlich, im gleichnamigen factory-Magazin. Oder auch in den vielen anderen Themenbereichen.