Termine

Die Transformation braucht die Geschlechterperspektive

Internationaler Frauentag, Gender Pay Gap, Gender Care Gap, Gender Gap Arbeitsmarkt, feministischer Kampftag: Geschlechtergerechtigkeit gehört zum notwendigen Wandel dazu und ist gleichzeitig Bedingung – und nicht nur die Sache eines Tages oder bestimmter Index-Zahlen.

Schaut man bzw. frau auf die Zahlen im factory-Magazin Gender, hat sich in Sachen Geschlechtergerechtigkeit in den letzten zehn Jahren doch schon etwas getan.

Damals zeigte das Magazin die Situation im Jahr 2014: So lag der Gender Pay Gap, zentraler Indikator für den "kleinen Unterschied" zwischen den Geschlechtern, bei 22,2 Prozent. So viel weniger verdienten Frauen gegenüber Männern in Deutschland. Nachhaltig war das nicht.

In kaum einem anderen europäischen Land war die Gehaltslücke vor zehn Jahren so groß. Der OECD-Durchschnitt lag bei 15 Prozent. Für die exakt gleiche Arbeit erhielt eine Zahntechnikerin 31 Prozent, eine Köchin 20 Prozent, eine Juristin 9 Prozent und eine Softwareingenieurin 2 Prozent weniger als ein Mann an ihrer Stelle.

Seit vier Jahren unverändert

2024, zehn Jahre später, sieht es etwas besser aus: 18 Prozent sind es dort im Durchschnitt, also rund vier Prozent geringer ist der Unterschied als 2014 – aber das mittlerweile seit vier Jahren unverändert. Viel tut sich also im gegenwärtigen Wandel nicht. Und die Strukturen, die die Geschlechtergerechtigkeit bremsen, bleiben unangetastet.

Frauen erhielt mit durchschnittlich 20,84 Euro einen um 4,46 Euro geringeren Bruttostundenverdienst als Männer (25,30 Euro), teilt das Statstische Bundesamt mit. Ungefähr ab dem 30. Lebensjahr nimmt der Verdienstunterschied zwischen diesen beiden Geschlechtern stetig zu.

Der unbereinigte Gender Pay Gap liegt bei den 30-Jährigen noch bei 8 Prozent. Am höchsten fällt er bei Beschäftigten im Alter zwischen 57 und 61 Jahren mit 27 Prozent aus.

Der Gender Gap Arbeitsmarkt, der neben der Verdienstlücke pro Stunde auch die Unterschiede in der bezahlten monatlichen Arbeitszeit (Gender Hours Gap) auch die Erwerbsbeteiligung von Frauen und Männern (Gender Employment Gap) berücksichtigt, lag 2023 sogar bei 39 Prozent.

Zwar ebenfalls seit dem Vorjahr unverändert, aber immerhin um sechs Prozent niedriger seit 2014.

Klassiker Hausarbeit ungeteilt

Dennoch: Frauen arbeiten weniger Stunden bezahlt und sind weniger im Erwerbsarbeitsmarkt beteiligt, belegen die Zahlen. Dafür arbeiten sie mehr in der so genannten Sorgearbeit, die Versorgung von Familie, Haushalt und Co., eben unbezahlt.

Laut Zeitverwendungserhebung 2022 verbringen Frauen im Durchschnitt knapp 30 Stunden pro Woche mit unbezahlter Arbeit, Männer nur knapp 21 Stunden. Der Gender Care Gap lag damit bei 43,8 Prozent.

Und fast die Hälfte der unbezahlten Arbeit von Frauen besteht aus klassischer Hausarbeit wie Kochen, Putzen und Wäsche waschen.

"Jede vierte erwerbstätige Mutter empfindet ihre Zeit für Erwerbsarbeit als zu knapp bemessen – jeder vierte Vater findet, dass er zu viel Zeit im Job verbringt", fasst das Statistische Bundesamt die ungleiche Verteilung von Sorge- und Erwerbsarbeit zusammen.

Zwar hat sich auch der Gender Care Gap in den letzten zehn Jahren verkleinert: 2012/2013 hatte er noch bei 52,4 Prozent gelegen, das grundlegende Problem bleibt jedoch.

"Frauen übernehmen den Großteil der unbezahlten Pflege- und Sorgearbeit, arbeiten häufiger in Teilzeit und werden schlechter bezahlt – der Kampf um Gleichstellung ist auch 2024 noch nicht zu Ende", schreibt die IG Metall zum Frauentag 2024.

Rechter Roll-back zu mehr Ungleichheit?

Der Deutsche Frauenrat warnt im Superwahljahr 2024 davor, dass der enorme Zuspruch für Rechtspopulist*innen und -extremist*innen die bisherigen frauenpolitischen Errungenschaften gefährde.

So mache z. B. die AfD in ihrem Programm keinen Hehl aus ihren rückwärtsgewandten Frauen- und Familienbildern. "Sie will hart erkämpften frauenpolitischen Fortschritt zurückdrehen und die heteronorme Kleinfamilie mit männlichem Oberhaupt reinstallieren. Sie will Ungleichheit und die Wiederherstellung einer vermeintlich natürlichen, patriarchalen Ordnung“, warnt die Vorsitzende des Deutschen Frauenrats, Dr. Beate von Miquel."

Damit droht 2024 zum Schicksalsjahr für Frauen- und Menschenrechte werden: Umfragen prognostizieren, dass das Europaparlament als Herzkammer der europäischen Demokratie weiter nach rechts rutschen und auch in den Bundesländern rechte Parteien Wahlerfolge feiern könnten.

Frauenrechte seien der einzige verlässliche Schutzschild für Frauen vor einer patriarchalen Dominanz, wie sie der AfD vorschwebe, so von Miquel. Die Partei werde nicht davor zurückschrecken, diese Rechte Stück für Stück einzukassieren. "Wir müssen uns klar machen: Demokratie und Frauenrechte werden uns nicht geschenkt. Wir müssen sie gemeinsam verteidigen – am 8. März und an jedem anderen Tag!"

Dabei dient der tägliche Einsatz für die Gleichstellung nicht nur der Gerechtigkeit und Demokratie. Die feministische Gleichstellungsperspektive ist essenziell für eine erfolgreiche soziale und ökologische Transformation. An Geschlechterperspektive mangelt es in der Klimapolitik nach wie vor, sagt Prof. Dr. Ulrike Röhr.

Warum das so ist, zeigt – immer noch aktuell – das factory-Magazin zum Thema Gender, unter anderem mit einem Interview mit Prof. Röhr. Dazugehörige News gibt es im gleichnamigen Themenbereich.

Zum Thema:

Zurück