So genannte Firmenflotten sind die stillen Giganten des Automarkts. Unternehmen lassen rund 60 Prozent aller neuen Pkw in der EU zu und profitieren dabei oft stärker von steuerlichen Vorteilen für Elektrofahrzeuge als private Käuferinnen und Käufer. In 24 von 27 EU-Staaten ist der Umstieg für Unternehmen finanziell attraktiver.
Besonders auffällig ist der deutsche Fall: Zwar summieren sich die steuerlichen Vorteile hier auf rund 14.000 Euro über vier Jahre, doch trotz dieser enormen Begünstigung kaufen Unternehmen nicht einmal mehr Elektroautos als private Haushalte.
Bundesfinanzminister Lars Klingbeil (SPD) hatte dazu im Juni 2025 ein besonders schnelles Abschreibungsprogramm für gewerblich und dienstlich genutzte E-Fahrzeuge vorgestellt. Dafür würde der Staat bis 2027 auf bis zu 17 Milliarden Euro an Steuereinnahmen verzichten müssen.
Unternehmensflotten könnten hebeln
Gerade deshalb könnte eine EU-weite Verpflichtung zur schnelleren Elektrifizierung einen enormen Schub auslösen. Laut einer Studie des Thinktanks Transport & Environment (T&E) würde eine ambitionierte Flottenregelung 1,2 Millionen zusätzliche Elektroautos in den Markt bringen – mehr als das Doppelte der Jahresproduktion des Volkswagen-Stammwerks in Wolfsburg. Und sie würde vor allem der Produktion in Europa zugutekommen.
Denn während sich private Käuferinnen und Käufer zu 63 Prozent für europäische E-Autos entscheiden, greifen Unternehmen bereits zu 73 Prozent zu lokalen Modellen. Eine Flottenpflicht würde diese Tendenz verstärken und die europäische Industrie stabilisieren. Dort stehen im Automobilsektor rund eine Million Arbeitsplätze auf dem Spiel, wenn die EU wie 2025 bereits geschehen die schärferen CO2-Flottengrenzwerte für die Hersteller verschiebt – und wie geplant den Zulassungsstopp ab 2035 für neue Verbrenner-Pkw.
Mit einer zusätzlichen Verzögerung in Europa würde Europa jedoch den Anschluss an relevante Teile des Weltmarkts verlieren und bei der zentralen Zukunftstechnologie im Pkw-Bereich auch weiter technologisch an Anschluss verlieren. So die Einschätzung von Prof. Dr. Patrick Plötz, Leiter des Geschäftsfelds Energiewirtschaft, Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung in Karlsruhe, in einer Reihe von Experten-Statements gegenüber dem Science Media Center zur Aufweichung der EU-Flottenstandards.
Frankreich zeigt, wie es geht
Dass hohe Elektroquoten in Firmenflotten kein theoretisches Szenario sind, beweisen Beispiele wie La Poste oder Orange. Der französische Postdienst lag 2024 bei einem BEV-Anteil von 69 Prozent, der Telekommunikationskonzern bei 41 Prozent.
Hier schaffen klare politische Signale mit ambitionierten Zielen Verlässlichkeit und ermöglichen es Unternehmen, Investitionen langfristig zu planen.
Deutschlands Rückwärtsgang: Risiken für Klima und soziale Gerechtigkeit
Während Europa an diesem Hebel ansetzt, sendet Deutschland widersprüchliche Signale. Das abrupte Ende der Kaufprämie für private Elektroautos im Dezember 2023 und der politische Wunsch nach Ausnahmen beim Verbrenner-Aus von Teilen der Autoindustrie und der Gewerkschaften sorgen für Verunsicherung.
Gleichzeitig zeigt die Analysen zu erschwinglichen Leasingmodellen, dass sozial gestaltete Förderung E-Mobilität grundsätzlich für breite Bevölkerungsschichten zugänglich machen könnte. Allerdings: Ohne Stabilität und klare Leitplanken droht die E-Mobilitätswende wieder einmal zur Frage des Vermögens zu werden.
Zudem verliert die Industrie Planungssicherheit genau in einer Phase, in der Fabriken umgerüstet, Lieferketten neu aufgebaut und Arbeitsplätze transformiert werden müssen.
Jeder politische Rückzieher schwächt das Vertrauen in diesen Prozess und damit auch die Investitionen, die für eine europäische Führungsrolle notwendig wären.
Europa braucht klare Entscheidungen
Die Debatte um Flottenvorgaben und Verbrenner-Aus ist mehr als ein technisches Regulierungsdetail. Sie entscheidet darüber, ob die Verkehrswende ökologisch wirksam, industriell tragfähig und sozial gerecht gestaltet wird.
Ein verlässlicher Rahmen könnte den Markthochlauf stabilisieren und die Vorteile effizienter Fahrzeuge gezielt auch für Haushalte mit geringeren Einkommen erschließen. Ein sozial ausgewogenes Bonus-Malus-System – wie es viele Mobilitätsverbände fordern – würde dafür sorgen, dass günstige, saubere Fahrzeuge gefördert werden, während besonders emissionsstarke Modelle ihren gesellschaftlichen Preis widerspiegeln.
Flotten und Dienstwagen für die Wende nutzen
Die neuen T&E-Zahlen zeigen eindrücklich, dass die EU mit einer ambitionierten Flottenpolitik einen mächtigen Hebel in der Hand hat – einen, der Klimaschutz und Industriepolitik sinnvoll verbindet.
Die Frage, ob Europa diesen Weg tatsächlich einschlägt, entscheidet sich jetzt. Setzt die Politik auf klare Regeln, verlässliche Ziele und soziale Ausgleichsmechanismen, könnte die Antriebswende gelingen.
Weicht sie zurück, droht ein Jahrzehnt der Verzögerung – und es bleibt bei einer Dominanz fossil getriebener Mobilität, die weder ökologisch noch sozial zukunftsfähig ist.
- Verbrenner-Aus sichert Arbeit: Ohne Verschärfung der CO2-Flottengrenzwerte werden Arbeitsplätze und Investitionen verloren gehen.
- Rechtsruck zum Rückschritt: Die Flottengrenzwerte sind nur ein Teil des sogenannten Nachhaltigkeits-"OMNIBUS", mit dem die EU ihre Nachhaltigkeitsregeln reduziert, den Rechtsruck aber nicht.
- E-Auto für 70 Euro: Nicht nur Firmen, auch private Haushalte würden von einem Bonus-Malus-System profitieren – und Staat, Industrie und Umwelt.
Die bessere Autoindustrie: Sie entscheidet offensichtlich über Gedeih und Verderb Europas und vor allem Deutschlands – und ginge aber auch sozial-ökologisch. - Betriebe machen mobil: Ob Arbeitsweg, dienstlich unterwegs oder Fuhrpark, richtiges betriebliches Mobilitätsmanagement ist effizient und ressourcenschonend zeigen Beispiele aus der Praxis.