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Klimaschutz: Wer nicht schneller und mehr reduziert, überlässt die Schulden zukünftigen Generationen

Künftige Generationen in Industrieländern werden die Hauptlast der Kosten der Klimagerechtigkeit zu tragen haben, wenn die Staaten ihre Klimaschutzmaßnahmen nicht deutlich erhöhen, um das 1,5-Grad-Ziel von Paris zu erreichen. Bisher reichen die Pläne für eine Kohlendioxid-Entfernung nicht für die globalen Ziele aus. China, EU und die USA müssten in den nächsten zehn Jahren zwei bis dreimal mehr Emissionen reduzieren.

In einer im Magazin Nature Climate Change veröffentlichten Studie haben Wissenschaftler*innen untersucht, wer die Verantwortung für weitere Verzögerungen im globalen Klimaschutz trägt und wie sie auf künftige Generationen übertragen wird. Basis ist zum ersten Mal ein Ansatz der globalen Gerechtigkeit und des Lastenausgleichs, des so genannten "Burden Sharing".

Dabei stellen sie fest, dass die heutige Jugend vor der ungerechten Aufgabe stehen wird, die CO2-Emissionen von Jahrzehnten kompensieren zu müssen, wenn Staaten mit hohem Emissionsanteil ihre Klimaziele für 2030 nicht deutlich erhöhen.

Forschende des internationalen Instituts für Klimaforschung und Klimapolitik Climate Analytics untersuchen in dieser Studie, wer die Verantwortung für die Entnahme von CO2 aus der Atmosphäre tragen würde, wenn Regierungen ihren „gerechten Anteil“ leisteten.

Die Autorinnen und Autoren verfolgen zwei verschiedene Ansätze, um Verantwortung zuzuweisen. Beim ersten übernehmen diejenigen Staaten, die eine größere Schuld an der Verursachung des Klimawandels tragen, einen höheren Anteil an der Last der CO2-Entnahme.

Im zweiten Ansatz tragen relativ wohlhabende Staaten eine größere Last, während Staaten mit einem unterdurchschnittlichen Bruttoinlandsprodukt (BIP) pro Kopf von jeglicher Verpflichtung zur Entnahme von CO2 verschont bleiben.

„Wir machen deutlich, dass maßgebliche Emittenten wie die USA, die EU und China moralisch dafür verantwortlich sein könnten, noch zu Lebzeiten unserer Kinder massive Mengen an CO2 zu entfernen, sofern sie nicht jetzt den Klimaschutz beschleunigen“, so Claire Fyson, Hauptautorin der Studie.

„Doch wir haben noch nicht einmal Lösungen parat, um derartige Mengen an CO2-Emissionen aus der Atmosphäre zu entfernen – die meisten dieser Technologien sind nicht in großem Maßstab verfügbar, sind teuer und einige könnten ernsthafte Risiken hinsichtlich einer nachhaltigen Entwicklung bergen“, sagte sie.

Der Studie zufolge müssten für jede weitere Gigatonne CO2-Emission in diesen Staaten im Jahr 2030 zusätzlich etwa 20 – 70 Gigatonnen CO2 im Laufe des Jahrhunderts entnommen werden.

CO2-Entnahme bezieht sich auf Lösungen, die der Atmosphäre das klimaerwärmende Gas entziehen und binden. Dazu gehören natürliche Maßnahmen wie das Wiederaufforsten und Anpflanzen von Wäldern oder die Verbesserung von Kohlenstoffspeicherung im Boden ebenso wie technologische Optionen wie die Direct-Air-Capture-Technologie oder Bioenergie mit Kohlenstoffabscheidung und -speicherung.

Dem Weltklimarat (IPCC) als weltweit führendem klimaforschenden Gremium zufolge muss CO2 aktiv aus der Atmosphäre entfernt werden, damit die international vereinbarten Ziele des Pariser Klimaabkommens erreicht werden können, wobei die konkrete Menge vom Tempo der Emissionsreduktion in den kommenden Jahrzehnten abhängen wird.

„Angesichts gegenwärtiger unzureichender Ziele zur Reduzierung des CO2-Ausstoßes steuert die Welt bis zum Ende des Jahrhunderts auf eine Erwärmung von etwa 3°C gegenüber dem vorindustriellen Niveau zu. Damit bliebe künftigen Generationen nur noch die Wahl zwischen extremen Klimafolgen oder einer CO2-Entnahme in extremem Maßstab mit ungewissen Erfolgsaussichten“, so Carl-Friedrich Schleussner, Wissenschaftler Integrative Research Institute on Transformations of Human-Environment Systems (IRI THESys) an der Humboldt-Universität zu Berlin und Mitautor der Studie.

„Aber unsere Arbeit zeigt ebenso deutlich, dass die zukünftige Abhängigkeit von Kohlendioxidentnahme in großen Mengen nicht unvermeidlich ist, sondern vielmehr das Ergebnis unzureichender heutiger Klimaschutzmaßnahmen“, so Schleussner.

Wenn sie jedoch ihre Emissionsniveaus in 2030 halbieren würden, was den globalen Anforderungen für eine Begrenzung der Erwärmung auf 1,5 °C entspräche, könnten große Klimasünder wie die EU, USA und China ihre Verantwortlichkeiten für die Kohlendioxidentnahme um Dutzende bis Hunderte von Gigatonnen im 21. Jahrhundert reduzieren. Die Einsparungen entsprächen in etwa der Menge an CO2, die China derzeit in 40 Jahren, die USA in 50 Jahren und die EU in 30 Jahren jeweils emittieren.

Die Forschenden legten erstmals Gerechtigkeitsprinzipien zur Untersuchung der Verantwortlichkeit für die CO2-Entnahme zugrunde. Bisher geben Modelle, die Pfade zur Einhaltung internationalen Klimaziele studieren, lediglich den Gesamtumfang der erforderlichen CO2-Entnahme an und auf welche Art und Weise dies am kostengünstigsten geschehen könnte.

„Häufig gehen diese Modelle davon aus, dass Lösungen wie ausgedehnte Plantagen für Bioenergiepflanzen in Entwicklungsregionen am billigsten wären, und bürden so dem globalen Süden eine größere Last auf, damit die Ziele des Pariser Abkommens erreichen werden. Auch wenn diese Regionen tatsächlich ein größeres Potenzial zur Entnahme von CO2 aus der Atmosphäre haben mögen, zeigt unsere Studie doch, dass die Verantwortung dafür weitgehend bei den großen Emittenten liegt“, so Matthew Gidden, Mitautor der Studie.

Mehr zu Verantwortung und Klimagerechtigkeit in den factory-Magazinen Schuld & Sühne und Freiheit, die kostenlos zum Download zur Verfügung stehen. Einzelne Beiträge sind auch in den Online-Themenbereichen zu finden.

Quelle: IDW-Online

Bild: Canstockphoto.com

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