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Klima-Nothilfeplan für rasches Handeln

Die Hitzewelle 2018 hat den Klimawandel wieder ins Bewusstsein der Menschen gebracht – die Politik wartet jedoch erstmal den Soimmer ab und auf kühlere Zeiten. Dabei ließen sich die größten Umweltprobleme schnell lösen, bevor Kipppunkte die Klimaziele ganz unerreichbar machen. Wie, zeigt der Umweltverband BUND in seinem Nothilfeplan.

Die klimapolitische Untätigkeit der Bundesregierung verschärfe die Klimakrise weltweit – nicht nur in Deutschland, beklagt nicht nur der BUND. Der Umweltverband fordert angesichts der mit der diesjährigen Hitzewelle verbundenen Umweltprobleme ein schnelles Eingreifen. Sein Plan sieht Sofortmaßnahmen zur Reduktion der klimaschädlichen Emissionen in den Bereichen Energie, Verkehr, Landwirtschaft, Natur- und Gewässerschutz vor.

Deutschland sei auf die Auswirkungen der Klimakrise nicht ausreichend vorbereitet, so der BUNBD. Das zeige die Hitzewelle mit Folgen wie massiven Fischsterben in überheizten Gewässern und dramatischen Auswirkungen auf die Landwirtschaft.. "Eine politische Sommerpause kann sich die Bundesregierung nicht leisten. Jetzt müssen Lösungen präsentiert werden, wie Deutschland seinen immensen CO2-Ausstoß in den Bereichen Energie, Verkehr und Landwirtschaft reduziert", erklärt der BUND-Vorsitzende Hubert Weiger. Um die deutschen Klimaziele wie versprochen bis 2020 so weit wie möglich zu erreichen, müsse Bundeskanzlerin Angela Merkel von ihren Ministerien jetzt Sofortmaßnahmen einfordern.

Darüber hinaus sei eine gesellschaftliche Debatte über einen tiefgreifenden sozial-ökologischen Wandel notwendig. Statt des Wachstumsparadigmas müsse Suffizienz in allen Politikbereichen zu einer Änderung der politischen Rahmenbedingungen führen. In seinem Nothilfeplan konkretisiert der BUND seine Vorschläge, die sich schnell umsetzen ließen.

Älteste Kohlekraftwerke schnell abschalten

Ihr Ziel, den CO2-Ausstoß bis 2020 um 40 Prozent gegenüber 1990 zu reduzieren, wird die Bundesregierung verfehlen – um voraussichtlich acht bis zehn Prozent. Im Koalitionsvertrag hat sie sich aber verpflichtet, die Lücke "so schnell wie möglich" zu schließen.

Um das zu erreichen, müsse die Bundesregierung jetzt beschließen, die klimaschädlichsten Kohlekraftwerke vom Netz zu nehmen. Der BUND fordert, die Leistung der Braun- und Steinkohlekraftwerke am Markt in den nächsten drei Jahren auf 20 GW zu reduzieren. Der komplette Ausstieg aus der Kohleverstromung müsse in Deutschland vor 2030 erfolgt sein. Dazu sollten zuerst die ältesten Kohlekraftwerke mit den höchsten CO2- und Schadstoffemissionen stillgelegt werden. In seinem „Abschaltplan für AKW und Kohlekraftwerke“ zeigt der BUND, dass dies ohne die Versorgungssicherheit zu gefährden sofort möglich ist.

Sofort umsetzbar und dringend notwendig sei zudem ein bundesweites Moratorium für neue Kohlekraftwerke und Tagebaue oder deren Erweiterungen. Es dürfe nicht sein, dass in Zeiten der sich verschärfenden Klimakrise Energiekonzerne wie RWE noch wertvolle Wälder wie den Hambacher Forst roden, obwohl die Tage der Braunkohle längst angezählt seien.

Energieverbrauch dauerhaft durch bessere Baustandards senken

Um den Energieverbrauch dauerhaft zu senken, müsse die Bundesregierung mit dem neuen Gebäude-Energie-Gesetz in den kommenden Wochen den Weg zu einem klimaneutralen Gebäudebestand ebnen. Die Mindeststandards müssen darin für alle neuen Gebäude ab 2019 auf Passivhausstandard festgelegt werden, denn Passivhäuser seien bereits jetzt wirtschaftlich und vermeiden spätere teure Nachrüstungen. Für den Gebäudebestand müssen flächendeckend Sanierungsfahrpläne erstellt und die Umsetzung von Maßnahmen artenschutzkonform gewährleistet werden.

Mit einem Tempolimit und einem Ende des Dieselprivilegs schnell viel erreichen

Weil allein der Autoverkehr über 60 Prozent aller CO2-Emissionen im Verkehrssektor in Deutschland erzeugt, sei ein generelles Tempolimit auf allen Autobahnen der beste Weg, kurzfristig und kostenneutral Treibhausgase aus dem Straßenverkehr einzusparen. Gleichzeitig müsse das Dieselprivileg fallen, die steuerliche Besserstellung von Dieselkraftstoff. Der BUND fordert zudem eine generelle Erhöhung der Energiesteuer auf fossile Kraftstoffe und eine deutliche Erhöhung der Kfz-Steuer für Spritschlucker, um eine Entwicklung zu energiesparenderen Fahrzeugen einzuleiten.

Statt auf besonders klimaschädliche Verkehrsmittel wie Flugzeuge zu setzen müsse es für Nutzer günstiger sein, klimaschonender mit Bus oder Bahn zu reisen. Flugkerosin dürfe daher nicht länger von der Energiesteuer befreit sein. Auch die Befreiung internationaler Flugtickets von der Umsatzsteuer könne die Bundesregierung sofort abschaffen – wie es die meisten EU-Länder bereits getan haben –, ebenso müssten staatliche Beihilfen für Regionalflughäfen entfallen. Die frei gewordenen Gelder sollten in den dringend erforderlichen Ausbau von Bahnknotenpunkten investiert werden, um Kurzstreckenflüge mittelfristig auf die Schiene zu verlagern.

Nutztiere nicht für den Export produzieren und Landwirtschaft ökologisieren

Auch im Bereich Landwirtschaft hat der BUND Lösungsvorschläge, weil gerade die industrielle Fleischproduktion wesentlich zur Klimakrise beiträgt. Trotzdem sei die Fleischproduktion im ersten Halbjahr 2018 weiter gestiegen und liege aktuell 17 Prozent über dem nationalen Verbrauch. Deswegen müsse die Bundesregierung die Abkehr von ihrer Exportstrategie in der Landwirtschaft beschließen und die Fleischproduktion auf den Selbstversorgungsgrad von 100 Prozent reduzieren. Damit dürfe die Bundesregierung auch nicht bis zum Klimaschutzgesetz warten, denn dies könne sie sofort umsetzen. Im Klimaschutzgesetz solle sie anschließend die Halbierung der Tierbestände bis zum Jahr 2050 festschreiben. 

Der BUND fordert, dass wegen des Klimawandels auch die Landwirtschaft ihr Bewirtschaftungssystem grundlegend verändern müsse. Dazu gehöre es auch, Böden durch den Aufbau von Humus besser zu schützen. Tatsächlich kann ein klimafreundlicher ökologischer Landbau der Atmosphäre Kohlenstoff sogar entziehen und ihn in der Humusschicht der Böden dauerhaft speichern. Ökologisch wirtschaftende Betriebe machen dies schon jetzt vor. Auch kommt der ökologische Landbau ohne synthetisch hergestellten Dünger mit einem geringeren Energieeinsatz aus.

Das Bundeslandwirtschaftsministerium müsse dafür sorgen, dass Humus aufbauende Bodenbearbeitung und ökologischer Pflanzenschutz Schwerpunkte der Landwirtschaftspolitik werden, fordert der BUND. Auch die finanziellen Mittel zur Förderung des ökologischen Landbaus müssten erhöht werden. Umstellungs- und Beibehaltungsprämien für ökologischen Landbau durch die EU, den Bund und die Bundesländer müssten langfristig gesichert werden. Bei der Reform der Gemeinsamen Europäischen Agrarpolitik (GAP) im Jahr 2020 müsse sich die Bundesregierung bereits jetzt für stärkere Vorgaben zur klimaschonenderen Landwirtschaft einsetzen. 

Flächenversiegelung und -verkauf stoppen, grüne Infrastruktur vernetzen und genutzte Moore vernetzen

Weil extreme Trockenheit und Hitze bestehende Probleme von Menschen und Tieren in der Stadt und im ländlichen Raum verstärken, muss die Bundesregierung die fortschreitende Flächenversiegelung stoppen und ein Verkaufsmoratorium für öffentliche Flächen beschließen, so der BUND. Öffentliche und private Grünflächen müssten erhalten und erweitert sowie zu einer „Grünen Infrastruktur“ vernetzt werden, um Städte und Siedlungen vor dem Hitzekollaps zu bewahren. Finanzmittel hierfür seien im Rahmen der Städtebauförderung bereitzustellen. Zudem müsse die Regierungskoalition nun schnell den angekündigten Masterplan für mehr Natur in der Stadt vorlegen. 

Eine besonders wirksame Klimaschutzmaßnahme, die sofort angegangen werden könne, bestehe in der Renaturierung und Reaktivierung von Mooren, Auen und Feuchtgebieten. Dadurch werde der Wasserhaushalt der Landschaft verbessert, Emissionen klimaschädlicher Gase werden verhindert und die Auswirkungen extremer Niederschläge sowie Dürren würden abgemildert. Allein die Renaturierung bzw. Vernässung von landwirtschaftlich genutzten Moorböden habe ein Minderungspotenzial von bis zu 37 Millionen Tonnen CO2-Äquivalenten, so der BUND. Hierfür müsse die Bundesregierung sofort finanzielle Fördermittel bereitstellen.

Mit einem rechtsverbindlichen Beschluss müsse der Bundestag zudem den Ausbau der grünen Infrastruktur Deutschlands fraktionsübergreifend vorantreiben. Außerdem solle die Bundesregierung zur Umsetzung des überregionalen Biotopverbunds ein bundesweites Instrument schaffen, das analog dem Bundesverkehrswegeplan durch einen Bedarfsplan räumlich präzisiert und mit eigenen finanziellen Mitteln ausgestattet wird. 

Keine Ausnahmen für Kühlwassereinleitungen bei Hitze und Überdüngung vermeiden

Obwohl Flüsse aktuell schon stark überhitzt sind, haben Kraftwerke und Industrieanlagen Ausnahmegenehmigungen erhalten, um ihr warmes Kühlwasser einzuleiten. Diese Ausnahmegenehmigungen müssten sofort zurückgenommen werden, um ein Fischsterben großen Ausmaßes zu verhindern, so ein Punkt im Nothilfeplan des BUND. Schon unterhalb von 28 Grad Wassertemperatur müssten die Landesregierungen Einleitungen drosseln, da empfindliche Fischarten wie Äschen und Forellen litten und Wanderfische wie der Lachs nicht mehr zu ihren Laichgründen aufstiegen. Die drohenden Starkregenereignisse könnten zudem schnell zu einem weiteren unkontrollierbaren Abfall des Sauerstoffgehalts führen.

Weiterer Punkt: Die Überdüngung aus der industriellen Landwirtschaft und die Verbauung von Flüssen sind Ursachen für die Eutrophierung von Seen und Meeren, welche durch die Klimakrise noch verschärft wird. Der BUND fordert daher einen verbindlichen „Wasserpakt“ für eine ressortübergreifende Politikkohärenz im Bereich Wasser. Alle Verursacher – insbesondere die Sektoren Energie, industrielle Landwirtschaft, Verkehr, Industrie und Bauen – müssten endlich aktiven Gewässerschutz betreiben, um zu erreichen, dass Flüsse, Seen, Küstengebiete sowie Grundwasser die EU-Qualitätsziele bis 2027 erfüllen.

Bild: Hitzewelle, Harald Henkel, Flickr.com

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