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Regionale und ökologische Versorgung geht auch in Ballungsräumen und Großstädten

Mehr als 30 Prozent der landwirtschaftlichen Flächen für die Ernährung der Bevölkerung in Deutschland liegen inzwischen im Ausland. Dabei wäre eine vollständige Versorgung selbst von Großstädten mit regional und ökologisch angebauten Lebensmitteln durchaus möglich, wie eine Hamburger Studie zeigt.

Die Deutsche Bevölkerung lässt sich immer mehr mit Lebensmitteln aus dem Ausland versorgen. Anders gesagt: Die Herstellung von nach Deutschland importierten Ernährungsgütern belegt immer mehr landwirtschaftliche Flächen im Ausland, ermittelte das Statistische Bundesamt in einem Forschungsprojekt 2013. Während diese Flächen im Ausland von 2000 bis 2010 um 38 Prozent stiegen (auf 18,2 Millionen Hektar), gingen sie im Inland um fünf Prozent auf 14,7 Millionen Hektar zurück. Dabei benötigt laut Untersuchung der Inlandsverbrauch von Ernährungsgüter schon eine Fläche von 20,1 Millionen Hektar. Inzwischen liegen 65 Prozent davon im Ausland, nur 35 Prozent im Inland. Grund: Für Energiepflanzenanbau und für den Export werden im Inland immer mehr Flächen benötigt, die ausländischen Flächen dagegen für die Futtermittelproduktion zur heimischen Herstellung von Fleisch, Wurst, Milchprodukten und Eiern – deren Exportanteil wiederum steigt.

Müsste sich jede/r Bundesdeutsche von den heimischen Ackerflächen ernähren, müsste er abspecken. Bei der derzeitigen konventionellen Ernährungsweise benötigte er rund 30 Prozent mehr Fläche, als ihm/ihr in Deutschland zur Verfügung steht, stellte auch eine Studie der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg 2014 fest. Mit dem knappen Platz auskommen könnten die Deutschen durchaus: Am effektivsten mit einer vegetarischen oder veganen Ernährung, so die Empfehlung der Studienautoren. 

Selbst städtische Ballungsräume wie Hamburg könnten sich zu hundert Prozent regional und ökologisch versorgen: Mit Biolebensmitteln aus einem 100-Kilometer-Radius – wenn die Bewohner auf den einen oder anderen Hamburger verzichten würden. Das zeigt eine aktuelle Studie der HafenCity Universität Hamburg, über die selbst der Spiegel berichtet. Grundlage ist lediglich ein verringerter Fleischkonsum gemäß der Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Ernährung. Rund 6,2 Millionen Menschen im Umland von Hamburg könnten sich so mit ökologisch erzeugten Lebensmitteln aus der Region ernähren, würden 75 Prozent der landwirtschaftlichen Flächen für den Nahrungsmittelanbau genutzt.

Sechs unterschiedliche Ernährungsstile und deren Landverbrauch hatte die Studienautorin untersucht - vom gegenwärtigen im Schnitt konventionellen Stil mit einem Fleischverzehr von jährlich 87 Kilogramm pro Kopf bis zu einer vegetarischen Ernährung mit Obst und Gemüse aus ökologischem Anbau. Dabei zeigte sich, dass die Fleischerzeugung der größte Flächenfresser ist. "Schon mit zwei fleischfreien Tagen pro Woche ließen sich 92 Prozent der Bevölkerung aus einem Radius von 100 Kilometern rund um Hamburg ernähren . Bei drei bis vier fleischfreien Tagen sind es sogar hundert Prozent", so Sarah Joseph in ihrer Masterarbeit.

Allerdings würde letzteres bedeuten, dass die Hamburger sich auf 24 Kilo Fleisch im Jahr beschränken müssten. Dieser Ernährungsstil ließe sich mit 2054 Quadratmetern decken – in etwa die Fläche, die rein rechnerisch jedem Menschen zur Verfügung steht, wenn die weltweite Ackerfläche von 1,4 Milliarden Hektar durch die Anzahl der Weltbevölkerung geteilt wird. Das Weniger an Fleisch ließe sich am besten durch einen höheren Verzehr von Hülsenfrüchten wie Bohnen und Erbsen kompensieren, so Joseph, wodurch den Böden auch mehr Stickstoff zugeführt würde.

Bestehen die Hamburger jedoch weiterhin auf 87 Kilo Fleisch pro Kopf und Jahr, könnten nur 75 Prozent der Einwohner im 100-Kilometer-Radius ernährt werden. Interessant dabei: Joseph untersuchte beispielhaft eine Ernährung vom Kattendorfer Hof im Großraum Hamburg, der nach Demeter-Standard wirtschaftet, aber auch Fleisch produziert. Immerhin könnten damit 99 Prozent der Bevölkerung im Großraum Hamburg mit Obst und Gemüse aus ökologischer Erzeugung und 36 Kilo Fleisch versorgt werden – mit 2346 Quadratmeter pro Kopf.

Der Flächengewinner ist auch in dieser Studie eine rein vegetarische Ernährung. Sie würde nur 1966 Quadratmeter benötigen.

Doch nicht nur die Menschen würden durch regionalen ökologischen Anbau gesünder versorgt, auch das Klima und die Bodenfruchtbarkeit würden profitieren. Schließlich speichert der ökologisch bewirtschaftete Boden rund 3,5 Tonnen mehr Kohlenstoff pro Hektar mehr als konventionell genutzte Flächen, so das Forschungsinstitut für biologischen Landbau (FiBL). Dafür sorgen die dickeren Humusschicht und die Düngung mit organischen Substanzen. Die auch zur Gründüngung eingesetzten Leguminosen (Hülsenfrüchte) entziehen der Atmosphäre Kohlenstoff und Stickstoff und speichern sie in der Humusschicht. Alles in allem also ein rundum ökologisches Projekt, wenn sich nicht nur die Hamburger_innen darauf besinnen sollten – vielleicht einfach schrittweise.

Mit vorgestellt hatte die Hamburger Studie übrigens die Regionalwert AG, die sich als Beteiligungsgesellschaft für die Regionalisierung und Ökologisierung der Ernährungswirtschaft einsetzt. Mehr zur Regionalwert AG in den factory-Magazinen Teilhabe und Divestment

Quelle: Weltagrarbericht.de
Bild: Hamburg, tribp, Flickr.com



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