Kein schöner Land
Ist Mobilität in Deutschland heute nicht einfach wunderbar? War es früher ein Akt, sich mit Projektpartnern zu treffen, um sich regelmäßig zu besprechen, komme ich jetzt mit dem autonomen Anforderungsbus in den letzten Winkel des Landes – und auch zu später Stunde wieder zurück. Oder ich nehme je nach Wetter und Zeit das Sharing-E-Bike, zur Not das E-Cabrio, alles perfekt in Schuss, gewartet von Audi, Benz und Co.
Ladestationen gibt es fast überall, die Batteriesysteme lassen sich ebenfalls schnell wechseln. Aber am schönsten ist es, sich fahren zu lassen, dabei zu lesen oder sich zu unterhalten, je nach Stimmung. Das öffentliche Nahverkehrsnetz ist eng gestrickt und perfekt abgestimmt, selbst die verwöhnten Schweizer loben uns. Kaum Wartezeiten, und wenn, dann willkommene Abwechslung, weil alles fast zu reibungslos geht.
Fahrzeuge gibt es nur noch wenige, weniger als ein Viertel von den knapp fünf Millionen, die es 2019 waren. Die Luft in den Städten ist sauber, statt Straßenlärm sind wieder Vögel in den Obstbäumen an den nur noch einspurigen Ringstraßen zu hören, diese sind jetzt schattige Fahrradstraßen, ehemalige Parkplätze grüne Parks.
Lieferanten verteilen ihre Waren mit Lastenrädern auf der letzten Meile, Elektro-Lkw beliefern die städtischen Logistik-Hubs. Insgesamt sind die Wege zwischen Produzent und Konsument heute kürzer, weil wieder mehr regional produziert wird. Wir sind mit Straßenbahnen, Bussen und Fahrrädern zügig unterwegs, das Netz, wie gesagt, reicht bis in die Peripherie, Leihräder gibt es überall – viele von uns gehen mehr zu Fuß.
Die Autobahnen dienen im wesentlichen dem Fernverkehr, sie sind zu 80 Prozent elektrifiziert für die Oberleitungs-Lkw, die restlichen Wege bewältigen sie mit klimaverträglichen synthetischen Kraftstoffen. Ohnehin werden knapp die Hälfte der Gütertransporte über ausgebaute Schienenverbindungen und Wasserstraßen abgewickelt. Für größere Entfernungen nehmen die meisten von uns lieber den Zug oder den E-Bus, im ländlichen Raum sind Pkw mit E-Antrieb die Regel.
Ein eigenes E-Auto besitzen nur noch 43 Prozent, als Status-Symbol funktioniert es nicht mehr. Den Elektro-Smile, den die erste Fahrt in einem E-Auto auslöst, kennt inzwischen jeder, die Beschleunigung der E-Motoren fasziniert alle. Den Geschwindigkeits-Kick holen wir uns jetzt bei der Formel E, in Bike-Parks oder beim E-Sport, in virtuellen Realitäten, aus denen wir verschwitzt und ökologisch verrußt wieder auftauchen. Röhrende Motorräder sind verpönt, elektrisch ist angesagt.
Mobilität 2035 – nicht mehr Zweck, stattdessen Erholung, Fitness, ja Unterhaltung. Vorbei die Zeiten von Staus, Parkplatzsuche und Zugausfällen. Die Unfallzahlen sind um 80 Prozent gesunken. Der Verkehrssektor hat seine Klimaziele erreicht, seine Elektrifizierung die Energiewende vorangetrieben, die letzten Kohlekraftwerke sind stillgelegt, in den ehemaligen Braunkohlerevieren entstanden mehrere Batteriewerke und Forschungszentren. Die deutsche Autoindustrie baut fast nur noch E-Autos und betreibt Mobilitätsservices, die weltweit Absatz finden. Transformation ist jetzt ein deutsches Wort.
Wie es dazu kam, woran 2019 nur wenige von uns glauben wollten? Die Rezepte lesen Sie in dieser factory. Viel Freude dabei.
Ralf Bindel und das Team der factory
Weitere Beiträge zum Thema Mobilität und Verkehrswende finden Sie im gleichnamigen factory-Magazin Mobilität. Das lässt sich kostenlos laden und ist angenehm lesbar auf Bildschirmen und Tablet-Computern. Wie immer ist es dazu hübsch illustriert und enthält sämtliche Artikel im kompakten Tablet-Format, dazu entsprechende Zahlen und Zitate. Online im Themenbereich sind ebenfalls einige Beiträge verfügbar – dort lassen sie sich auch kommentieren und bewerten.
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