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Soziales Nachhaltigkeitsbarometer zeigt breite Zustimmung zu Energiewende und Verkehrswende

Breiter Rückhalt für die Ziele der Energie- und Verkehrswende, aber zu wenig Tempo. Das Soziale Nachhaltigkeitsbarometers 2021 hat als repräsentative Untersuchung die Bereitschaft, Bedenken und Beteiligung der Menschen in Deutschland zur Transformation untersucht. Die Ergebnisse und Entwicklung sind nicht nur für die Politik spannend.

In einer bundesweiten Befragung haben die Menschen Fragen zur Ausgestaltung und Umsetzung der Energie- und Verkehrswende beantwortet. Zusammengefasst sehen fast 80 Prozent der Teilnehmenden die Transformationen als Gemeinschaftsaufgabe, bei der jeder Mensch einen Beitrag zum Gelingen leisten sollte. Allerdings empfindet mehr als die Hälfte der Menschen die Umsetzung der Energiewende als teuer oder bürgerfern und wünscht sich mehr Tempo. Erst vor kurzem hatte der erste deutsche Bürgerrat Klima ähnliche Ergebnisse und Beteiligungsbereitschaft gebracht.

Jährlich werden in dem vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderten Kopernikus-Projekts Ariadne mehr als 6.800 Menschen quer durch Deutschland befragt, um Anliegen und Bewertungen der Bürgerinnen und Bürger zur Strom- und Verkehrswende einzufangen. Die ersten Ergebnisse des Sozialen Nachhaltigkeitsbarometers 2021 sind als interaktive Anwendung auf ariadneprojekt.de auch online verfügbar. Im Vorgängerprojekt wurden die Menschen bereits seit 2017 befragt.

Grundsätzlich erkennen die Menschen die Notwendigkeit der Energiewende an und sind bereit, Verantwortung zu übernehmen, um Klimaziele zu erreichen. So befürworten 73 Prozent das energiepolitische Ziel, den Energieverbrauch in Haushalten zu reduzieren und mehr als ein Drittel wäre grundsätzlich bereit, für den Klimaschutz höhere Steuern auf umweltschädliche Produkte zu akzeptieren. Ein wesentlicher Bremsklotz der Energiewende ist für mehr als ein Drittel die Bürokratie, und mehr als die Hälfte nimmt die Verteilung der Kosten und Nutzen energiepolitischer Maßnahmen besonders zwischen Privatpersonen und Unternehmen als ungerecht wahr.

„Wir wollen mit dem Nachhaltigkeitsbarometer nicht einfach nur ein Stimmungsbild der Bevölkerung zur Energiewende einfangen, sondern kontinuierlich ihre Einstellung und Erwartungen zu konkreten politischen Klimaschutzmaßnahmen erfassen“, erklärt Ingo Wolf vom IASS. „Durch die jährlich wiederkehrende Erhebung können wir ein umfassendes Bild zu bestehenden und neu aufkommenden Herausforderungen, Problemen und Handlungsbedarfen in den unterschiedlichen Lebensbereichen der Menschen geben. Die Ergebnisse sollen dazu dienen, die politische Entscheidungsfindung und Prioritätensetzung zu unterstützen.“

Bürger*innen wollen Energiewende gemeinsam gestalten

Gefragt nach konkreten Klimaschutz-Instrumenten zeigt sich, dass Technologien für Erneuerbare Energien von einer großen Mehrheit unterstützt werden, von Solar- und Windenergie über Wasserstoff bis hin zur Nutzung von Biomasse. So befürworten zum Beispiel 90 Prozent der Befragten den Ausbau von Solaranlagen auf Hausdächern. Ein Großteil der Befragten kann sich eine aktive Beteiligung an der Energiewende vorstellen: Das Interesse an einem individuellen Engagement reicht von der Ökostrom-Nutzung bis hin zu einer Beteiligung an Erneuerbaren-Energien-Anlagen, die sich in Bürgerhand befinden.

Die Anschaffung eines Elektro-Autos können sich 47 Prozent vorstellen. Zudem gibt die Hälfte der Befragten an, mehr Wege zu Fuß oder auf dem Rad zurücklegen zu wollen. Der Wandel soll aber bezahlbar bleiben und auf Mobilität will keiner verzichten. So lehnt etwa die Hälfte eine Maut für PKW oder höhere Parkgebühren ab und für rund ein Viertel müsste der öffentliche Nahverkehr besser und günstiger werden, damit sie auf kürzere Fahrten mit dem Auto verzichten. Gleichzeitig befürworten über die Hälfte der Befragten eine Abschaffung des Steuervorteils für Dieselkraftstoffe und ein Tempolimit auf Autobahnen.

Wichtig ist den Bürgerinnen und Bürgern auch, die gesellschaftlichen Auswirkungen im Blick zu behalten, damit vor allem sozial Schwache vor zu hoher Belastung geschützt und Verursacher stärker in die Verantwortung genommen werden. Fast die Hälfte findet, dass die Kosten der Energiewende zwischen den unterschiedlichen Einkommensgruppen ungerecht verteilt sind.

„Bei allen gegebenen Ambivalenzen und Unzufriedenheiten: Dass die Menschen in Deutschland die Notwendigkeit der Energiewende bejahen, notwendige Schritte auch mittragen wollen und bereit sind, Belastungen in Maßen zu akzeptieren, sind positive Zeichen, die von der Politik jetzt auch als Ermutigung für einen effektiven Klimaschutz gesehen werden können“, sagt Ortwin Renn vom IASS. „Die Energiewende kann nur zusammen mit der Gesellschaft gelingen. Für den Erfolg der Energie- und Verkehrswende gilt es dabei nicht nur motivierende Formen der Bürgerbeteiligung einzuplanen, sondern auch soziale Fairness und Gerechtigkeit, Augenmaß und Verhältnismäßigkeit im Blick zu behalten.“

Im Projekt Ariadne ist das Soziale Nachhaltigkeitsbarometer Teil eines umfassenden Dialogprozesses mit der Zivilgesellschaft, der im Herbst 2020 mit Fokusgruppen zu Strom- und Verkehrswende gestartet ist und über die gesamte Projektlaufzeit in Workshops, Bürgerkonferenzen und einem Bürgergipfel weitergeführt wird. Werte und Erfahrungen der zufällig ausgewählten Teilnehmenden zu energie- und verkehrspolitischen Themen sind in die Entwicklung des Sozialen Nachhaltigkeitsbarometers mit eingeflossen. Die Ergebnisse der Panelbefragung fließen wiederum in einem nächsten Schritt in die Diskussion von Politikoptionen zur Strom- und Verkehrswende im Rahmen der Bürgerdeliberation mit ein.

Das soziale Nachhaltigkeitsbarometer lässt sich online in all seinen Facetten erkunden. In den fünf Kategorien Beteiligung bis so Sozioökonomische Sicherheit sind die Bewertungen der Bevölkerungsbefragung kreisförmig dargestellt.


Was notwendig ist für die zügige Transformation fasst das factory-Magazin Change zusammen. Interessant in diesem Zusammenhang ist auch noch das Magazin Trans-Form. Dort erzählt z. B. Ortwin Renn als Technikfolgenabschätzer über das Verschwinden der Produkte – und der Soziologe Harald Welzer über die Transformation der Autoindustrie.

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