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Leichtigkeit wäre die Lösung

Der Ressourcenverbrauch und damit die Treibhausgasemissionen sind vor allem durch den verbrauchsintensiven Lebensstil in den Industrieländern so hoch. Mit entsprechenden Strategien könnten sich Konsumgesellschaften wie die deutsche jedoch wesentlich ressourcenleichter machen. Ein Projekt hat fünf nachhaltige Gesellschaftsutopien auf ihre Umsetzbarkeit geprüft.

Die Rechnung ist im Grunde ganz einfach: 50 Milliarden Tonnen Naturverbrauch kann sich die Menschheit pro Jahr leisten. Jeder der sieben Milliarden Menschen hätte damit Anspruch auf 7,1 Tonnen – einschließlich Abraum und ungenutzter Stoffe, die bei Extraktion und Verarbeitung anfallen. Gerundet wird das in der Literatur auf acht Tonnen pro Kopf und Jahr. In den USA, Australien und Asien liegt der Verbrauch bis zu zehnmal über diesem zukunftsfähigen Maß. Beim anhaltenden Wachstum der Menschheit dürfte das nachhaltige Maß bis 2050 fünf bis sieben Tonnen pro Kopf und Jahr nicht überschreiten, schreibt der Erfinder des Ökologischen Rucksacks, Friedrich Schmidt-Bleek, in seinem gerade erschienenen Buch Die zehn Gebote der Ökologie. Um den Faktor Zehn müssten die Industriegesellschaften also ihren individuellen Ressourcenverbrauch reduzieren, wollten sie wirklich nachhaltig werden.

In Deutschland liegt der Pro-Kopf-Verbrauch an Ressourcen bei 30 bis 40 Tonnen pro Jahr. Hier geht es mindestens um den Faktor Vier der Reduktion. Das betrifft den kompletten Umbau der Gesellschaft inklusive der individuellen Lebensstile. Wie lässt sich so etwas erreichen, ohne zu verordnen und das Schreckgespenst einer Ökodiktatur zu erzeugen? Mit welchen Erzählungen lassen sich Menschen für eine ressourcenleichtere Lebensweise begeistern? Welche utopischen Leitbilder einer ressourcenleichten Gesellschaft sind nötig, um eine positive gesellschaftliche Transformation zu erhalten? Das sind Fragen, mit denen sich nicht nur die Politik auseinandersetzen muss, will sie konkrete Zukunftslösungen anbieten, die auf breite gesellschaftliche Akzeptanz stoßen. Dass es positive Utopien sein müssen, ist dabei selbstverständlich, denn die Leitbilder sollen nicht nur Ressourcen schützen, sondern auch Lebensqualität bieten – "und leicht zu leben sein", wie Holger Berg und Christa Liedtke in ihrem Beitrag für das factory-Magazin Utopien schreiben.

Fünf Wege zum ressourcenleichten Leben stellen sie vor, entwickelt in einem Projekt im Auftrag des Bundesumweltministeriums und des Umweltbundesamtes. Es sind Leitbilder und Strategien, die in zwanzig Jahren in Deutschland das Lebens- und Gesellschaftsmodell beschreiben. Sie zeigen nicht einfach nur Alternativen zum Heute auf, sondern auch plausible und realistische Wege der Umsetzung, sie sind damit als mehr als "reine" Utopien. Die Bandbreite der gefundenen Leitbilder ist groß: Sie reicht von der genossenschaftlichen Regionalität bis zum aufgeklärten Globalismus. Deutlich wird, dass nicht für jeden Menschen jedes Leitbild gleich attraktiv ist. Attraktiv erscheinen jedoch auch Kombinationen aus verschiedenen Modellen, um eine Acht-Tonnen-Gesellschaft zu erreichen. Interessant ist, dass zum ersten Mal überhaupt konkrete realisierungsfähige Gesellschaftsentwürfe von Experten diskutiert wurden. Jetzt braucht es eine Zivilgesellschaft, die diese Diskussion aufnimmt, um wieder eine "positive Utopie" zu erhalten und umsetzen zu können. Denn die Rechnung ist tatsächlich so einfach: Werden sich ressourcenleichte Gesellschaften nicht durchsetzen, wird die ungleiche Verteilung von Ressourcen zu weiterer Ungleichheit führen – und damit eher Dystopien als Utopien möglich.

Der Beitrag Ressourcenleichte Utopien ist im factory-Magazin Utopien erschienen, das sich kostenlos laden lässt und reich illustriert gut lesbar auf Bildschirmen und Tablets ist.

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