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Mehr Akzeptanz für gerechte und wirksame CO2-Preise

Eine Abgabe für eine Umweltbelastung gilt als wirksames Instrument zur Reduktion dieser Belastung. So lenken auch CO2-Preise oder -Steuern den Konsum auf emissionsärmere Produkte und Leistungen, für Klimaneutralität sind sie unerlässlich. CO2-Preise sollen auch in Deutschland wirken, es mangelt aber an Akzeptanz in Gesellschaft und Politik. Ein Ariadne-Kurzdossier vergleicht die verschiedenen Optionen zur Verbesserung.

In Zeiten von Preissteigerungen sind Diskussionen um weitere Preiserhöhungen für umweltschädliches Verhalten schwer. Fakt ist allerdings, dass sich ohne wirksame CO2-Bepreisung die Ziele des Pariser Abkommens und damit die Klimaneutralität nicht erreichen lassen, so Stefan Thomas, Wissenschaftler im Wuppertal Institut, im factory-Magazin Steuern. Für den Weltklimarat IPCC sind sie ein unerlässliches Werkzeug zum Umbau des ressourcenintensiven Wirtschaftens.

Und die meisten Menschen akzeptieren für eine Emissionswende auch höhere Preise, wenn diese die richtigen Einkommensgruppen treffen und der Staat die Einnahmen wirksam und transparent einsetzt, wie das soziale Nachhaltigkeitsbarometer schon 2021 angezeigte.

Inzwischen ist ein Preis für Kohlenstoffdioxid-Emissionen auch in Deutschland eingeführt: Bereits seit 2005 sind energieintensive Unternehmen in Deutschland zur Teilnahme am EU-Emissionshandel verpflichtet. Der dort ausgehandelte Preis für Emissionsrechte litt allerdings lange unter seiner Wirkungs- und Bedeutungslosigkeit aufgrund von Ausnahmeregeln für die Industrie und daraus erzielten Gewinnen.

CO2-Preise durch Emissionshandel

Immerhin: Im März 2023 überschritt der CO2-Handelspreis in der EU erstmals die 100-Euro-Linie, 2017 konnte man das Recht auf den Ausstoß einer Tonne CO2 noch für knapp fünf Euro erwerben. Mit dem weiteren Anstieg werden so auch die CO2-intensiven Kohle- und Braunkohle-Kraftwerke unwirtschaftlicher, ein früherer Kohleausstieg wahrscheinlicher, ein weiterer Tagebauausbau unnötiger.

Daneben gibt es seit 2021 in Deutschland einen Festpreis pro Tonne CO2-Ausstoß, um in den Bereichen Wärme und Verkehr zur Emissionsreduktion zu gelangen – denn in diesen Sektoren sinken die Emissionen zu wenig bzw. steigen sogar, wie die Statistiken zeigen. Dieser Festpreis von anfänglich 25 Euro pro Tonne soll jährlich bis 2026 auf 55 bis 65 Euro steigen. Ab 2027 soll dieses nationale Emissionshandelssystem von Brennstoffen in ein europäisches integriert werden und der Preis frei verhandelbar werden, so die Deutsche Emissionshandelsstelle (DEHst) beim Umweltbundesamt.

Aufgrund der steigenden Preisbelastungen der Bürger*innen nach der Corona-Pandemie und dem Beginn des Angriffskriegs Russlands gegen die Ukraine hat die Regierung die geplante Steigerung des CO2-Preises für 2023 bereits einmal ausgesetzt, es bleibt bei 30 Euro je Tonne wie 2022 - die Sensibilität des Themas ist offensichtlich.

 

CO2-Preis füllt den Fonds

Die Einnahmen aus diesem CO2-Preis für Brennstoffe füllen den Klima- und Transformationsfonds (KTF) des Bundes. Daraus will die Regierung die Sanierung von Gebäuden, den Aufbau der Landeinfrastruktur für E-Autos und der Wasserstoffwirtschaft unterstützen. Und die bisherige EEG-Umlage für die Förderung der eneuerbaren Energien, die bisher auf den Strompreis aufgeschlagen wurde, wird seit Juli 2022 auch aus dem KTF finanziert.
2023 soll der KTF 19,5 Milliarden Euro einnehmen bei geplanten Ausgaben von 35,4 Milliarden Euro, heißt es beim Bundesfinanzministerium dazu. 

Von einem Klimageld für alle, also eine von vielen Studien empfohlene Rückverteilung der Einnahmen wie bei einer Robin-Hood-Steuer, ist bei der bisherigen Einrichtung des CO2-Preises keine Rede. Dabei würden davon besonders einkommensschwache Haushalte etwas haben, weil die Preissteigerung dadurch für sie nahezu neutral wäre, bzw. zumindest soweit akzeptabel, dass die anzunehmende Zustimmung zu diesem Steuerungsinstrument nach allen Erfahrungen aus anderen Ländern auch hierzulande größer wäre – siehe Robin-Hood-Steuer.

Zumindest ließe sich mit einer solchen Umverteilung dann auch mit einer von der Politik gern befürchteten "Gelbwesten"-Bewegung in Deutschland nicht länger notwendige Klimaschutzpolitik verzögern. Dazu gereicht der Politik aktuell ja der gescheiterte Volksentscheid zu einem klimaneutralen Berlin bis 2030, bei dem besonders die in den Außenbezirken lebenden Wähler*innen dezidiert mit "Nein" stimmten. Verkürzt wird das auf die praktische Weiter-so-Formel: Die Menschen wollen nicht mehr Klimaschutz.

Deswegen auch die Warnung des Nachhaltigkeitsrats, den Klimaschutz nicht allein dem Markt und Emissionshandel zu überlassen, sondern auch für die sozialen Ausgleich zu sorgen: "Die stärkeren Schultern müssen auch mehr tragen."

 

Mehrheitsfähig nur sozial und wirksam

Insofern kommt nun eine Kurzstudie des vom Bund geförderten Kopernikus-Projekts Ariadne zur Verwendung der CO2-Abgaben gerade recht, um die Diskussion über die vergessene soziale Komponente des CO2-Preises wieder etwas zu beleben.

Insgesamt sagen die Ariadne-Berechnungen bis 2030 Einnahmen bis zu 227 Milliarden Euro für Deutschland voraus. Damit ließen sich über ein Klimageld die gesellschaftliche Akzeptanz für den CO2-Preis stärken, Kosten für einkommensschwache Haushalte abfedern, Klimaschutzinvestitionen erhöhen oder Einkommenssteuern senken, heißt es in einer Pressemitteilung.

Fünf konkrete Optionen zur Verwendung der Mittel aus der CO2-Bepreisung haben die beteiligten Wissenschaftler*innen untersucht: Das Klimageld, Strompreissenkungen, eine Verringerung der Einkommenssteuer, Härtefall-Kompensationen oder Förderprogramme.

Vergleichskriterien waren der Verwaltungsaufwand, die Verteilungseffekte (wer profitiert, wer wird besonders belastet durch eine bestimmte Mittelverwendung), die Investitionsanreize, die CO2-Emissionsreduktion und die gesellschaftliche Akzeptanz.

Dabei sei keine Maßnahme in allen Punkten die Beste, jede habe ihre Vor- und Nachteile, folgerten die Expert*innen aus den sechs Instituten des Ariadne-Konsortiums. „Wichtig ist in erster Linie, in der Bevölkerung Vertrauen durch eine transparente und sichtbare Verwendung der Einnahmen vom CO2-Preis zu schaffen“ , sagt Mareike Blum, Deliberationsforscherin am MCC Berlin. Und dafür sei vor allem das Klimageld durch die transparente und sichtbare Rückerstattung der Einnahmen besonders gut geeignet.

 

Vorteile durch Verteilung

Eine direkte Pro-Kopf-Rückzahlung, die alle Bürger*innen und insbesondere einkommensschwache Haushalte entlasten würde, sei verteilungspolitisch vorteilhaft. Zwar gelte es, zuerst einen Zahlungskanal aufzubauen. Sei dieser Kanal aber erst einmal geschaffen, wie etwa in der Schweiz über die Krankenkassen, ließe er sich auch für andere Maßnahmen nutzen – etwa für Entlastungen in einer Energiekrise, statt ominöser Tankrabatte, die zu Übergewinnen bei den Produzent*innen führen. 

"Zusätzlich könnte eine direkte Rückzahlung mit Härtefallkompensationen einhergehen, also auch die Teile der Bevölkerung unterstützen, die sonst unverhältnismäßig hohe CO2-Kosten schultern müssten", heißt es.

Weitere Maßnahmen, etwa die Absenkung der Strom- und Einkommenssteuer, hätten zwar ökonomische oder verteilungspolitische Vorteile, die würden aber für die Menschen kaum sichtbar.

 

Förderfonds nicht unproblematisch

„Auch die Einzahlung der CO2-Preiseinnahmen in einen Fonds für Förderprogramme ist eine populäre, aber nicht unproblematische Lösung“, sagt Maik Heinemann von der Universität Potsdam. Immerhin ist das die bisherige Situation in Deutschland, siehe Klima-Transformationsfond.

Hier gelte es, immer wieder zu prüfen, ob die Förderungen wirklich im erhofften Ausmaß zu Emissionsreduktionen führten. Zudem würden sich Förderbedarf und Einnahmen aus der CO2-Bepreisung in gegensätzliche Richtungen entwickeln: Bei hohen CO2-Abgaben sei der Förderbedarf gering, bei niedrigen reichten die Einnahmen dagegen nicht aus. Daher müssten die Fördertöpfe immer wieder an die Höhen der tatsächlichen CO2-Preis-Einnahmen angepasst werden. Dauerstreit um die richtigen Maßnahmen und Förderhöhen ist damit Teil der Lösung.

Das Kurzdossier lässt sich somit als aktuelle Zusammenfassung der wissenschaftlichen Debatte über das Instrument CO2-Preise und -Entwicklung lesen. In ihrem Fazit weisen die Autor*innen noch darauf hin, dass sich die gesellschaftliche Akzeptanz der Schlüssen für die Wirksamkeit des Instruments ist – gerade vor dem Zeithorizont der sich verschärftenden Klimakrise und den zu erwartenden Zielverfehlungen und somit notwendigen höheren Preisen – nicht nur für CO2-Emissionen.

"Nur wenn höhere CO2-Preise (mit der entsprechenden Rückerstattung) als gerecht und wirk- sam empfunden werden, sind auch deutlich höhere CO2-Preise mehrheitsfähig", heißt es dort. Die Autor*innen plädieren deswegen für eine Erhöhung der Transparenz der Mittelverwendung, für eine verstärkte Aufklärung zur CO2-Preis-Wirkung und -Verwendung und einen Rückerstattungsmechanismus, "der auch bei höheren Preisen zustimmungsfähig ist".

Das wäre demnach also ein Klimageld mit besonderer Entlastung einkommensschwacher Haushalte. Schließlich würde mangelnde Gerechtigkeit bei einem Preisinstrument nur denjenigen nutzen, die an einem wirksamen Klimaschutz kein Interesse haben – das kann eigentlich derzeit keine Regierung wollen.

Mehr zum Thema im factory-Magazin Steuern – und in den vielen Beiträgen dazu, wenn man die entsprechenden Begriffe wie "Steuern" oder "CO2 Preis" in das Suchfeld bei factory eingibt. Was es mit der Robin-Hood-Steuer auf sich hat und wie die Finanzierung erneuerbar wird, lesen Sie im factory-Magazin Divestment.

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