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  • Treibhausgasemissionen Gebäudesektor
    Grün gestrichelt der gesamte Treibhausgas-Bilanzraum des Gebäudesektors in Deutschland. Quelle: Umweltbundesamt und Kommission für Nachhaltiges Bauen, Empfehlungen, Februar 2023

Zirkuläres Bauen sichert Investitionen durch Ressourcenschonung

Der Gebäudesektor hat einen erheblichen Anteil am Rohstoff- und Energieverbrauch und damit an Treibhausgasemissionen und Umweltbelastung. Um ihn klimaneutral zu machen, muss das kreislauffähige Bauen und Sanieren zum Standard werden. Kriterien dafür gibt es bereits. Mit ihrem Einsatz würden die Gesamtkosten sinken, Investitionen sicherer werden – doch es fehlt an Bekanntheit.

Banken und Finanzinstitute können mit den Circular-Economy-Kriterien der EU-Taxonomie im Gebäudesektor einen deutlichen Beitrag leisten, kostensparend und wertsichernd Klimaneutralität zu erreichen, das geht aus einem Impulspapier aus dem CEWI-Projekt von WWF, Wuppertal Institut und der Stiftung Klimawirtschaft hervor.

Das Projekt will die Circular Economy als Innovationstreiber für eine klimaneutrale und ressourceneffiziente Wirtschaft etablieren und arbeitet dazu mit Unternehmen und Organisationen aus der Bau- und Automobilwirtschaft zusammen.

Grundlage ist die Erkenntnis, dass sich ohne einen Umbau der Wirtschaft zu einer Circular Economy die Erderwärmung nicht begrenzen und Klimaneutralität nicht erreichen lässt.

Denn bereits heute gehen global schon 50 Prozent aller Treibhausgasemissionen auf den nicht nachhaltigen Umgang mit Ressourcen zurück – entsprechende Biodiversitätsverluste inklusive – und ohne drastische Veränderungen wird sich der Ressourcenverbrauch bis 2060 noch einmal verdoppeln.

Modellierungen zeigen, dass in Deutschland selbst ein 2-Grad-Pfad nur im Rahmen einer Circular Economy gelingen wird, die den Ressourcenbedarf massiv senkt.

Gebäude mit großer Wirkung

Gerade der Gebäudesektor ist dafür entscheidend, sein Verbrauch an Ressourcen wie Boden, Fläche, Rohstoffe, Wasser etc. ist enorm: 50 Prozent der gesamten Rohstoffgewinnung in Deutschland werden allein für Baumaterialien benötigt, Bauprodukte sind nach Verpackungen der zweitgrößte Anwendungsbereich für Kunststoffe.

Damit sorgen die Errichtung, der Erhalt und der Betrieb von Gebäuden für mehr als ein Drittel der Treibhausgasemissionen in Deutschland (30 bis 35 Prozent).

Zudem stellten im Jahr 2020 Bau- und Abbruchabfälle rund 55 Prozent des gesamten Abfallaufkommens. Recycelte Abbruchstoffe landen lediglich im Straßenbau.

Ein "weiter so" im Wohnungsbau kann daher niemand wollen, heißt es in den Empfehlungen für einen nachhaltigen Wohnungs- und Städtebau des Umweltbundesamts.

Angesichts des gesteckten Ziels von 400.000 neuen Wohnungen pro Jahr, die bezahlbaren Wohnraum schaffen sollen, und eines wiederholt verfehlten Klimaschutzziels müssen die Bauweise und die Nutzung des Gebäudebestands dringend neugestaltet werden.

Das bedeutet, dass die Bauwirtschaft auf Umbau und Bestandserhalt statt Neuentwicklung und Neubau ausgerichtet wird. Das Bauen mit Bewusstsein, eine nachhaltige Baukultur müssten Standard, Vorschriften ressourcenleichter werden.

Dazu müsse die Politik Ressourcen- und Klimaschutz in den Rahmenbedingungen und Regelwerken des Bauens verankern wie Normen überarbeiten bzw. aussetzen für mehr Einsatz von Recyclingaterial, Musterbauordnungen überarbeiten, mehr erneuerbare Energie kommunal wie privat ermöglichen, so die Empfehlungen des UBA.

Das geschieht zum Teil mit dem gerade diskutierten Entwurf des Gebäudeenergiegesetzes und der kommenden verpflichtenden Wärmeplanung, beschränkt sich aber ansonsten auf günstige Förderkredite statt weiterer Bauvorschriften zugunsten eines Besser bauen.

Nicht-klimaneutrales Bauen diskreditieren

Zur Zeit existiert lediglich die so genannte EU-Taxonomie für den Finanzsektor, die für die Nachhaltigkeitstransparenz von Investitionsangeboten sorgen soll. Die Verordnung dient seit 2020 als EU-weites einheitliches Klassifizierungssystem ökologisch nachhaltiger Wirtschaftstätigkeiten – allerdings gelten darin auch Investitionen in Atomkraft- und Gasanlagen als nachhaltig.

Mit der Taxonomie will die EU Finanzströme durch Transparenzpflichten in eine nachhaltige Wirtschaft lenken, um Klimaneutralität bis 2050 zu erreichen. Auch die Europäische Zentralbank will die Banken durch Berichtspflichten zu mehr klimaschutzrelevanten Investitionen drängen. Laut Informationen aus dem CEWI-Projekt habe die Taxonomie in der Branche tatsächlich bereits eine enorme Dynamik ausgelöst. Ohne sie wäre ein so starker Fokus auf das Thema nie entstanden, heißt es.

Die neuen Taxonomie-Kriterien für die Circular Economy gingen über die bisherigen für den Klimaschutz hinaus und hätten ein weitaus höheres Potenzial, so die CEWI-Akteur*innen. Die Nachfrage nach nachhaltigen Finanzprodukten wachse, die bisher kaum genutzte Steuerungswirkung liege jedoch auch an der "mangelnden inhaltlichen und methodologischen Expertise über Circular Economy und ihrer Relevanz innerhalb des Finanzsektors".

Nun gilt es also, das Thema Kreislauf- der Finanz- und Bauwirtschaft besonders mit ökonomischen Vorteilen attraktiver zu machen. Folgerichtig trägt das Impulspapier von Wuppertal Institut und WWF den Titel "Mit Circular Economy nachhaltig wertstabile Immobilien schaffen“. Schließlich ist es gemeinsam mit Unternehmen aus dem Gebäude- und Finanzsektor entstanden.

Mit Profit zur Kreislaufwirtschaft locken

Darin zeigen die CEWI-Forscher*innen anhand der acht Circular-Economy-Kriterien, die für die EU-Taxonomie entwickelt wurden, wie z. B. deutsche Banken zirkuläre Bedingungen frühzeitig in ihre Kreditvergabe bei Immobilien integrieren können.

„Banken und Finanzinstitute profitieren ganz konkret davon, wenn sie zirkuläre Kriterien beim Finanzieren von Gebäudesanierung oder auch Neubau anwenden“, sagt Silke Küstner, Expertin für Circular Economy und Gebäude beim WWF Deutschland.

„Betrachten wir den gesamten Lebenszyklus eines Gebäudes, dann spart eine zirkuläre Bauweise, je nach Größe und Gebäudetyp, bis zu 32 Prozent der Gesamtkosten. Außerdem werden kreislaufgerechte und schadstoffarme Gebäude zu wertstabileren Immobilien und damit zu geringeren Risiken für Banken und Kreditgebern, nicht zuletzt angesichts der zunehmenden Klima- und Biodiversitätskrise.“ 

Für die EU-Taxonomie sind acht Circular-Economy-Kriterien definiert: sechs Kriterien für Neubau, zwei zusätzliche Kriterien für Sanierung und Renovierung. Im Juni 2023 sollen sie bindend werden und ab dem Geschäftsjahr 2024 Teil der Berichtspflicht sein.

Kriterien jetzt einsetzen, um Verluste zu vermeiden

„Die Circular-Economy-Kriterien der Expert*innenkommission sind ein richtungsweisender Standard dafür, wohin sich der Gebäudebau entwickeln muss“, sagt Marina Fecke, Wissenschaftlerin im Forschungsbereich Stoffkreisläufe am Wuppertal Institut. „Deshalb sollten Banken und Finanzinstitute diese Kriterien bereits jetzt bei ihren Finanzierungsentscheidungen anwenden und sich so ihr Kapital gegenüber Wertverlusten absichern.“

Konkret bedeute das, dass Finanzinstitute gezielt Wissen zu Circular Economy aufbauen müssen und folgende Nachweise für Bau- und Sanierungsprojekte einfordern sollten: einen Gebäuderessourcenpass, ein Rückbau- und Recyclingkonzept, eine Lebenszyklusanalyse bei Neubauten und einen Gebäudeenergieausweis, auch für gewerbliche Immobilien. „Banken können als Kreditgeber einen positiven Einfluss auf Eigentümer:innen und auf die gesamte Baubranche ausüben“, hebt Marina Fecke hervor.

Mit dem Impulspapier und der genauen Beschreibung der Kriterien, ihrer Kontrolle, der Wirkung und ihre Bewertung, erhielten Entscheider*innen der Finanzindustrie maßgebliche Argumente zur sofortigen Anwendung zirkulärer Kriterien bei Bau- und Sanierungsprojekten. 

"Das Risiko für Stranded Assets ist für Anleger:innen enorm", sagt Silke Stremlau, Vorständin der im Projekt beteiligten Hannoversche Kassen. "In taxonomiekonforme Gebäude und Maßnahmen zu investieren, verringert dieses Risiko und wirkt sich mindestens stabilisierend auf den Wert des Gebäudes aus." Oftmals steigere sich der Verkaufswert sogar durch diese Maßnahmen. Hinzu kommen die um 22 bis 32 Prozent geringeren Gesamtkosten.

Gebäuderessourcenpass und Ökobilanzierung verpflichtend machen

Allerdings müsse auch die deutsche Politik, und damit der Gesetzgeber, ihren Beitrag leisten, um die zirkuläre Transformation des Gebäudesektors zu beschleunigen, heißt es in der gemeinsamen Pressemitteilung zum CEWI-Impulspapier von Wuppertal Institut und WWF.

„Erst mit einem verpflichtenden Gebäuderessourcenpass und der Ökobilanzierung, die bereits im Herbst 2023 in der Novellierung des Gebäudeenergiegesetzes verankert werden sollten, schafft die Bundesregierung die Datengrundlage und damit eine zentrale Datenbank für Gebäudedaten“, sagt Silke Küstner.

Diese zentrale Datenbank für Gebäudedaten sei dringend notwendig, damit der Finanzsektor zielgerichtete Finanzierungsentscheidungen treffen könne, "die auch wirksam auf die Transformation des Gebäudesektors einzahlen", so Küstner. "Diese Daten kann die Politik auch nutzen, um taxonomiekonforme Förderprogramme für Gebäudebau und Sanierung aufzusetzen – ein weiterer möglicher Treiber der Transformation im Gebäudesektor.“


Mehr zum Thema im factory-Magazin Besser Bauen und in der Ausgabe Klimaneutral – oder in den entsprechenden Online-Themenbereichen inklusive der aktuellen Nachrichten dazu.

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