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  • Direkte CO2-Emissionen von Industrie und Verkehr zwischen 2005 bis 2015 laut UNFCC (2017).

Verkehrswende: Ab 2028 darf die EU keine Benziner und Diesel mehr zulassen, wenn sie ihr Klimaziel erreichen will

Zum Auftakt der Diskussion über neue Flottengrenzwerte in der EU zeigt eine Studie des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR), dass die Automobilindustrie ihre komplette Modellpalette verändern muss, wenn sie das verbleibende Emissionsbudget für das 1,5-Grad-Ziel nicht in den nächsten Jahren allein durch den Verkehr verbrauchen will.

Der letzte neue Pkw, der von fossilen Brennstoffen angetrieben wird, wird 2028 verkauft. Nur dann haben die Menschen in Europa die Chance, den sich beschleunigenden Klimawandel zu begrenzen – auf global durchschnittlich 1,5 °Celsius. Die Modellrechnung des DLR im Auftrag von Greenpeace zeigt, dass dafür auch die Zahl der konventionellen Autos bis 2035 sinken muss – und zwar um den fast vollständigen Bestand der gegenwärtigen Flotte, um 80 Prozent. Die letzten Verbrennerautos müssten 2040 von den Straßen verschwinden.

Die Studie hat den Stand und die Emissionsbudgets der 28 Länder der EU und Norwegen und die Schweiz untersucht, bezeichnet als EU28+2. Wo immer möglich soll die Reduktion der gegenwärtigen Flotte durch einen Umstieg auf ein verbessertes Angebot an Bus, Bahn und Radverkehr geschehen, wo auf das Auto nicht verzichtet werden kann, müssen diese mit Batterie oder Brennstoffzelle angetrieben werden, empfehlen die Wissenschaftler*innen. „Diese kurzfristige Umstellung ist sehr ambitioniert“, sagt Greenpeace-Verkehrsexperte Benjamin Stephan. Doch weil Verkehrspolitiker und Autokonzerne die Herausforderung der Klimaerwärmung jahrelang ignoriert hätten, führe jetzt kein Weg an schnellem Handeln vorbei.“

Tatsächlich ist in Europa und auch in Deutschland der Verkehr der einzige Bereich, in dem der CO2-Ausstoß seit 1990 nicht gesunken, sondern sogar noch gestiegen ist. Entsprechend groß sind nun die Herausforderungen im Klimaschutz. Die Bundesregierung hatte sich mit dem 2015 rechtzeitig zur Klimakonferenz verabschiedeten Klimaschutzplan 2050 zum Ziel gesetzt, den Ausstoß an Treibhausgasen aus dem Verkehr bis zum Jahr 2030 um mindestens 40 Prozent zu senken. Die in dieser Woche gestartete Nationale Plattform Zukunft der Mobilität soll unter Federführung von Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) Maßnahmen entwickeln, wie dieses Ziel erreicht wird. „Diese Studie formuliert einen klaren Auftrag für Minister Scheuer. Seine nun endlich startende Plattform muss den schnellen Wechsel weg von Diesel und Benzinern hin zu sauberen Antrieben organisieren“, sagt Stephan. „Eine solche Verkehrswende wird Städte sauber, sicherer und letztlich lebenswerter machen sowie einen enormen Innovationsschub in der Autoindustrie auslösen.“

Auch die elektro-fossilen Hybrid-Pkw müssen in dem Szenario bis 2035 verschwinden. Weil sich in den letzten zehn Jahren nichts getan habe, würde die Automobilindustrie ihr zur Einhaltung des Pariser Klimaziels "erlaubtes" ausstoßbares Treibhausgasbudget in den nächsten zehn Jahren komplett verbrauchen – wenn es nicht zu einer radikalen Wende kommt. Je früher "low-emitting" Pkw auf den Markt kommen, um so besser für die Erneuerung der Flotte, sagte Prof. Horst Friedrich, Leiter der DRL dem Guardian. Er schätzt, dass für die Erreichung des 2 °C Ziels zehn Jahre mehr Zeit für die Transformation blieben.

Allerdings macht ein Kurzbericht des Weltklimaprogramms UNPCC klar, dass rund 10 Millionen mehr Menschen in Küstenregionen unter Sturmfluten und Ernteverlusten leiden würden, als bei Einhaltung des 1,5 °C-Ziels. Zudem stiege der Meeresspiegel im Schnitt um 10 cm mehr, Hitzewellen wären länger und Extremwetter stärker, das Wirtschaftswachstum geringer und Ernteerträge und Wasserverfügbarkeit würden erheblich sinken.

EU-Flottengrenzwerte schaffen zu wenig Klimaschutz im Verkehr

Die Veröffentlichung der Studie ist gut platziert: Heute diskutiert eine Arbeitsgruppe der EU-Mitgliedsstaaten in Brüssel, darüber, wie die CO2-Flottengrenzwerte bis zum Jahr 2030 fortgeschrieben werden. Während die Europäische Kommission bis 2030 lediglich 30 Prozent weniger CO2 verglichen mit 2021 vorschlägt, fordern der Umweltausschuss des europäischen Parlaments und einige Mitgliedsstaaten 45 bis 70 Prozent. Die Studie zeigt, dass auch diese ambitionierten Vorschläge für die künftigen EU-Flottengrenzwerte nicht reichen, damit der Verkehr einen fairen Beitrag zum Pariser Klimaabkommen leistet. Dazu müsste der Grenzwert bis spätestens 2028 auf null sinken, wie die DLR-Studie zeigt.

Andere Länder weiter

Während Großbritannien und Frankreich erst 2040 aus dem Verbrennerverkauf aussteigen wollen, will Norwegen bereits ab 2025 nur noch Elektro-Pkw zulassen, Indien, Irland und die Niederlande ab 2030. In Tokio gibt es schon seit der Jahrtausendwende keine Diesel-Lkw mehr, in Peking ist die Zulassung für Neuwagen limitiert – außer fürElektrofahrzeuge.

Deutschland dagegen hat bis jetzt kein Zeichen und kein Ziel gesetzt. Die Automobilindustrie hat auch in den letzten fünf Jahren keine "real-world"-Verbesserungen des CO2-Ausstoß erreicht, meinen Verkehrsexperten, weil sie mit den Emissionstests spielten – siehe Dieselskandal.

Wie es gehen könnte

Die Empfehlungen von Greenpeace angesichts der geringen Transformationsfrist sind deutlich: Die europäischen Regierungen müssten sich auf eine Rahmengesetzgebung zum Verkaufsstopp aller konventionellen Pkw ab spätestens 2028 einigen. Länder- und Stadtregierungen müssten intensiv in den Öffentlichen Nahverkehr, Rad- und Fußverkehrsmöglichkeiten investieren. Zusätzlich sollten sie "Niedrigemssionszonen" eingerichten.

Europäische und nationale Politiker*innen müssten die Energiewende zu 100 Prozent Erneuerbaren stärker vorantreiben, die Netze und weitere Infrastruktur müssten mit der Fähigkeit zur Nutzung der Elektroautobatterien als Speicher ausgebaut werden, Batterie-ReUse müsse eher als Recycling zum Standard werden, zu Carsharing eher als zu Autobesitz ermutigt werden.

Die Autoindustrie müsse nicht nur die Dieselproduktion sofort einstellen und aus der Benziner-Herstellung bis 2028 aussteigen, sie müsse auch in neue Elektroautoentwicklung investieren. Dies müsse zu kostengünstigen, attraktiven, weniger boliden und verbrauchsintensiven Modellen und zu neuen Dienstleistungsmodellen der Industrie führen.

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