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Regierung tut zu wenig für die Lobbytransparenz

Nach jahrelanger Kritik gibt es endlich das Karenzgesetz, um Spitzenpolitiker*innen den nahtlosen Wechsel in Lobbyjobs zu erschweren, und die Bundesregierung hat die UN-Konvention gegen Korruption ratifiziert. Stillstand und Blockade herrschen weiterhin bei der Einrichtung eines Lobbyregisters und bei der Parteienfinanzierung. Das ist die Bilanz des Lobbyreports 2015.

Lobbyismus, das ist Interessenvertretung in Politik und Gesellschaft. Gegen Interessenvertretung ist zunächst nichts einzuwenden, wenn es jedoch zu vorgetexteten Gesetzesvorlagen und Drehtürgeschäften, zu Korruption und undurchsichtiger Parteienfinanzierung kommt, hat das mit demokratischer Einflussnahme nichts mehr zu tun. So wünscht sich die Mehrheit der Deutschen mehr Transparenz beim Lobbyismus. Laut einer repräsentativen Umfrage des Meinungsforschungsinstituts TNS Emnid im November 2015 sprechen sich 78 Prozent für die Einführung eines verpflichtenden Lobbyregisters aus. 74 Prozent sind der Meinung, dass die Unionsfraktion die Liste der Lobbyisten, denen sie Hausausweise vom Bundestag verschafft hat, offenlegen sollte. Sogar unter den befragten CDU/CSU-Anhängern sind 77 Prozent dafür. Doch für Lobbyist*innen gibt es in Deutschland keinerlei Transparenzpflichten.

Das wurde auch wieder mit dem heute in Berlin vorgestellten Lobbyreport 2015 deutlich, der zur Halbzeit der Großen Koalition Bilanz in Sachen Lobbyregulierung zieht. Die Bilanz ist durchaus durchwachsen. Zwar gab es während der letzten zwei Jahre einige wichtige Neuerungen, wie die Einführung einer gesetzlichen Karenzzeit. Doch eine umfassende Antwort auf die Lobbyismus-Problematik hat die Große Koalition noch nicht gefunden. Auf der ToDo-Liste für CDU und SPD müsse weiterhin ein verpflichtendes Lobbyregister und die transparente Parteienfinanzierung stehen, forderte Lobbycontrol.

"Schwarz-Rot riskiert einen weitergehenden Vertrauensverlust in die Demokratie. Die Große Koalition muss noch in dieser Legislaturperiode ein verpflichtendes Lobbyregister einführen, damit sichtbar wird, wer mit welchem Geld Einfluss auf Politik nimmt", sagt Imke Dierßen, politische Geschäftsführerin von Lobbycontrol. "Dass die Union erst nach einem entsprechenden Gerichtsurteil offenlegte, wem sie mit Hausausweisen Zugang zum Bundestag verschafft hat, spricht Bände. Transparenz scheint für viele Großkoalitionäre immer noch ein Fremdwort zu sein." 

In den fünf vom Lobbyreport 2015 untersuchten Handlungsfeldern – Lobby-Transparenz, Seitenwechsel von Spitzenpolitiker/innen, Parteienfinanzierung, Nebeneinkünfte und Abgeordnetenkorruption – hat es im Vergleich zum Lobbyreport 2013 dennoch einige Verbesserungen gegeben. Während 2013 die Bewertungsampel noch in vier der fünf Felder auf Rot stand, sind es nun nur noch zwei.

"Wir stellen mit dem Lobbyreport 2015 einen deutlichen Unterschied zur letzten Koalition aus Union und FDP fest", sagt Timo Lange, Autor des Lobbyreports. "Schwarz-Rot macht immerhin Trippelschritte hin zu mehr Transparenz und Beschränkung des Lobbyismus. Durch die Neuregelung des Gesetzes gegen Abgeordnetenbestechung und die Einführung einer gesetzlichen Karenzzeit wurde zwar der richtige Weg eingeschlagen, aber nicht konsequent zu Ende gegangen. Beide Gesetze weisen deutliche Schwächen auf", so Lange. Deshalb gibt es auch im Lobbyreport 2015 keinen Politikbereich, der mit Grün bewertet wurde.

Ein verpflichtendes Lobbyregister und eine transparentere Parteienfinanzierung  wurden auch von der Staatengruppe gegen Korruption (GRECO) des Europarats angemahnt. In ihrem jüngsten Bericht fordert GRECO Deutschland auf, die Transparenz bei der Gesetzgebung zu verbessern und bezeichnet die Liste der beim Bundestag akkreditierten Verbände als "nicht mehr zeitgemäß". Bis April 2016 muss Deutschland der internationalen Organisation nun Bericht über Maßnahmen zur Verbesserung der Transparenz erstatten.

Besonders eindrucksvoll wird die Problematik durch die Fallbeispiele im Lobbyreport. So fließen z. B. Parteizuwendungen aus dem Umfeld der Autoindustrie nicht nur über die Familie Quandt, die Haupteigentümerin von BMW ist. Sie gab 2013 900.000 Euro an Parteien. Bei BMW selbst gab es in den letzten Jahren eine fragwürdige Entwicklung. Der langjährige Großspender BMW teilte auf Anfrage von LobbyControl mit, dass das Unternehmen seine Verfahren zur Parteienfinanzierung im Jahr 2013 „sukzessive umgestellt“ habe. Zuvor hatte BMW die Parteien durch kostenlose Fahrzeugüberlassungen unterstützt, die diese als Großspenden auswiesen. Seit 2013 unterstütze BMW „die gesellschaftspolitische Arbeit der Parteien durch einzelne themenbezogene Kooperationen, die den klaren Sponsoringregeln der BMW Group unterliegen“. Im Jahr 2014 sponsorte BMW u. a. die Parteitage von CDU, CSU und SPD, die Denkfabrik Sachsen (CDU), die Landesversammlung der CSU-Frauenunion und der CSU-Mittelstandsunion sowie die Jubiläumsfeier „40 Jahre Seeheimer Kreis“ (SPD). Mit dieser Umstellung von Parteispenden auf Parteisponsoring verschwinden die Zuwendungen aus den Rechenschaftsberichten und damit auch aus der Öffentlichkeit.

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