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Agrarwende 2050 in Deutschland: Mit halbiertem Fleischkonsum zum Klimaziel

Im Grunde weiß es jede/r: Die Deutschen essen zu viel Fleisch. Sie ruinieren damit weiter Böden, Luft und Wasser und sind verantwortlich für die Bilder der Massentierhaltung. Greenpeace hat jetzt eine Studie zur ökologisierten Landwirtschaft in Deutschland vorgelegt, mit der das Pariser Klimaziel erreicht werden kann und dennoch auf Fleisch nicht verzichtet werden muss.

Mit etwa 11 Prozent trägt die deutsche Landwirtschaft zu den nationalen Treibhausgas-Emissionen bei. Soll das in Paris vereinbarte Klimaziel von weniger als 1,5 Grad Celsius Erderwärmung bis zum Jahr 2050 erreicht werden, muss auch die Landwirtschaft ihren Teil dazu beitragen. So sieht es auch der Klimaschutzplan 2050 der Bundesregierung vor, der bis dahin insgesamt 85 Prozent der Treibhausgase gegenüber 1990 reduzieren will. Zu viel Stickstoff in der Düngung, eine Erhöhung des Ökoanbaus auf 20 Prozent, klimaverträgliche Tierhaltung und die Vermeidung von Lebensmittelabfällen sind auch im Klimaschutzplan die vorgeschlagenen aber nicht konkretisierten Maßnahmen.

Jetzt hat Greenpeace vor der Grünen Woche und der Anti-Agrarindustrie-Demo Wir haben es satt am 21. Januar in Berlin eine Studie vorgelegt, wie die Agrarwende konkret gelingen kann. Das "Kursbuch Agrarwende 2050 – Ökologisierte Landwirtschaft in Deutschland" beschreibt ein Szenario, das das Forschungsinstitut für ökologische Landwirtschaft (FIBL) errechnet hat. In der Diskussion ist die Agrarwende ja bereits seit dem BSE-Skandal und der damaligen Umwelt- und Agrarministerin Renate Künast. Viel passiert ist dennoch nicht, denn die Interessensgruppen der Agrarindustrie sind mächtig und ihr Mantra, dass ohne intensiven Düngemittel- und Pestizideinsatz die Ernährung nicht gesichert ist, haben die meisten Menschen verinnerlicht. Dabei verursacht die industrielle Landwirtschaft in Deutschland eine Vielzahl von immer deutlicher auftretenden Umweltproblemen: Die Überdüngung verunreinigt Böden und Gewässer mit zu viel Nitrat und Phosphat, der Pestizideinsatz verstärkt das Artensterben, Großställe erzeugen gesundheitsschädliche Ammoniak- und klimaschädliche Treibhausgase – und hässliche Bilder von Tierleid.

Die Studie zeigt nun, wie der Umbau des Agrarsektors konkret gelingen kann – und trotz geringerer Erträge die Bevölkerung  auf eine gesündere Art gut ernährt wird. Während die Fleischproduktion und der -konsum um 50 Prozent zurückgehen müssen, soll sich auch die Lebensmittelverschwendung bis 2050 halbiert haben. Gleichzeitig erhöht sich der Anbau von Obst und Gemüse in Deutschland nach umweltverträglichen Standards, das heißt ohne Pestizide und mit weniger Düngung. Das FIBL geht davon aus, dass bis zum Jahr 2050 etwa 30 Prozent der Agrarflächen nach den Richtlinien des Ökolandbaus bewirtschaftet werden, die restlichen 70 Prozent konventionell, aber immerhin umweltverträglich.

Große Erleichterung für die Deutschen: Ein völliger Verzicht auf Fleisch ist nicht notwendig. Für die "große Ernährungswende" wurde für einen Teil der Bevölkerung sogar ein Fleischkonsum auf heutigem, hohen Niveau angenommen. Allerdings: Mit einer "Ernährung as usual", wie sie heute mit einem durchschnittlichen Fleischverzehr von etwa 60 Kilogramm pro Kopf und Jahr praktiziert wird, werden die Deutschen das Ziel aber sicher verfehlen. Dem sinkenden Verzehr muss auch die Produktion folgen, fordern die Studienautoren: Tierhaltung dürfe nicht mehr exportorientiert erfolgen. Nur mit Produktionsmengen, die den heimischen Bedarf decken, könne die Wende funktionieren.

Entscheidend gefordert beim Umbau unserer Landwirtschaft ist die Politik, so die Studie. Ohne konsequente Lenkungsmaßnahmen, die heute noch eine destruktive industrielle Massen- produktion mit den bekannten ökologischen Negativeffekten begünstigen, sind kaum Veränderungen zu erwarten. Was bei der Energiewende möglich ist, dass ökologischer Strom heute günstiger zu produzieren ist als klimaschädlicher, soll auch mit der Agarwende gelingen.

Erste Maßnahmen für mehr Klima- und Umweltschutz könnte Landwirtschaftsminister Christian Schmidt (CSU) sofort umsetzen. Dazu gehört eine neue Düngeregelung mit längeren Sperrzeiten, besserer Ausbringungstechnik und schärferen Kontrollen sowie ein Verbot für bienengefährliche Pestizide. Greenpeace fordert darüber hinaus eine verbindliche Haltungskennzeichnung bei Fleisch und Wurstwaren. Sie kann den Verbrauchern mehr Orientierungshilfe beim Einkauf geben. "Die Menschen müssen bei der Agrarwende mitmachen und bereit sein, für bessere Lebensmittel auch mehr zu bezahlen", sagt Studienautor Hofstetter. Laut vom Umweltbundesamt regelmäßig abgefragtem Umweltbewusstsein sind sie dazu auch bereit, schon jetzt zählen laut GfK-Studie ethisch-moralische Konsumkriterien mehr als der Preis – selbst wenn die Deutschen weniger als alle anderen Menschen in Europa für ihre Ernährung ausgeben.

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