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Scheinlösungen führen nicht zu mehr Klimaschutz

Viele technische und konzeptionelle Innovationen werden als Lösungen der Klimakrise dargestellt, vor allem, wenn sie im industriellen Maßstab umgesetzt würden. Dabei zeigt sich, dass mit ihnen ein erheblicher Ressourcenverbrauch verbunden ist, sie oft nicht dezentral und autark sondern nur mit viel Kapital umgesetzt werden können und ressourcenintensive und ungerechte Verhältnisse erhalten statt zu verändern. Eine Gruppe von Initiativen und Organisationen hat derartige "Scheinlösungen" mit wissenschaftlicher Kritik verbunden.

Wir produzieren grünen Wasserstoff für die Stahl und Chemieproduktion, wir betreiben alle Autos elektrisch, wir können CO2 abspalten und speichern – zur entscheidenden Klimawahl in Deutschland 2021 verbreiten die meisten Politker*innen und Industrievertreter*innen Bilder und Erzählungen von Lösungen, mit denen sich nur durch Umstellung oder Erweiterung von Technologie und Innovation und ihrem Betrieb mit regenerativ erzeugtem Strom der bisherige komfortable Pfad der Gesellschaft fortsetzen – und sogar die Klimaziele und Klimaneutralität erreichen lassen. Schließlich müssen die globalen Emissionen in den nächsten zehn Jahren um mindestens die Hälfte fallen, die zukünftigen Reduktionsmaßnahmen in den nächsten drei Jahren installiert werden, sagt der Weltklimarat in seinem jüngsten Bericht.

Sicher ist, Technologie kann und wird helfen, aber nicht alles, was bisher angedacht oder sogar technisch schon auf den Weg gebracht wird, ist tatsächlich eine Lösung. Vielmehr dienen diese Scheinlösungen häufig der Beruhigung einer Bevölkerung, die nicht damit konfrontiert werden soll, dass sich die Klimaziele von Paris von 1,5 oder 2 Grad mehr Erwärmung nur mit massiven Einsparungen von Rohstoff- und Naturverbrauch erreichen lassen. Und so zeigen mehrere Untersuchungen wie die vom Konzeptwerk Neue Ökonomie oder dem Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) zeigen, dass die Wahlprogramme der deutschen Parteien für diese Ziele nicht ausreichen.

Dabei gibt es genug gesellschaftliche, technische und politische Ansätze, um diese Ziele zu erreichen – wie zum Beispiel durch eine konsequente Circular Economy, durch Suffizienz,  DeGrowth, das Commons-Prinzip, Regionalisierung und viele weitere. Im factory-Magazin Change gehen mehrere Beiträge darauf ein, Von der Chance zum Change stellt in einer Tabelle die Konzepte gegenüber, die tiefer in die Krise oder aus ihr herausführen. Statt aber diese Lösungen zu propagieren, beschränken sich Politik und Industrie auf ressourcenintensive, unsoziale und ausbeuterische Lösungen. Der Glaube an ein grünes Wachstum, neue Märkte und eine Entkopplung von Wachstum und Naturverbrauch durch neue Technologien ist ungebrochen.

Eine Gruppe aktivistischer Nichtregierungsorganisationen und Thinktanks der Klimagerechtigkeitsbewegung von den Architects, den Creatives, den Engineers for future, urgewald, PowerShift bis hin zu Ende Gelände und Am Boden bleiben hat nun eine ganze Reihe von Scheinlösungen in einem Positionspapier und auf einer Website zusammengestellt. Dabei haben die Autor*innen ihre Kritik ganz wie Youtuber Rezo jeweils mit entsprechenden wissenschaftlichen Quellen versehen.

"Wir wollen die Scheinlösungen für die Klimakrise entlarven und uns für klimagerechte Lösungen einsetzen. Denn so nötig es ist, dass die Menschen die Erderhitzung auf eine gerechte Art bewältigen, so gefährlich kann Klimapolitik sein, wenn sie den Interessen Einzelner dient", schreiben sie einleitend.

Das Scheinlösungsangebot reicht von einer absurden Renaissance der Atomenergie über Biomasseverbrennung, Biokohle, der so genannten Bioökonomie, die CO-Abspaltung und Speicherung Carbon Capture and Storage (CCS), einer Climate Smart Agriculture (CSA), der unvermeidlichen Digitalisierung, Elektroautos, Emissionshandel, Geoengineering, Holzbau, der Internalisierung externer Kosten bis hin zu Tiefseebergbau und Wasserstoff.

Das Gegenangebot der Kritiker*innen: Eine Wirtschaft, die die Grundbedürfnisse aller Menschen befriedigt, eine Gesellschaft, die Einkommen und Vermögen gerecht verteilt und in öffentliche Güter investiert. Dazu zählen sie viele vorhandene effektive Lösungen wie den konsequenten Ausbau lokal angepasster und demokratisch verwalteter erneuerbarer Energien, autofreie Städte und ein attraktiver öffentlicher Nahverkehr, die Umstellung der Agrarindustrie auf Agrarökologie, die Eindämmung von Werbung und Finanzspekulation. die Abschaffung umweltschädlicher Subventionen sowie die Förderung von Klima-Jobs und Sorge-Arbeit.

Es fehle nicht an zivilgesellschaftlichen und wissenschaftlichen Konzepten zur effektiven Eindämmung der Klimakrise, die auch gleichzeitig Möglichkeiten seien, die Welt gerechter und vielfältiger, sicherer und gesünder, demokratischer und gemeinschaftlicher zu machen, plädieren die NGOs. Es gelte, gleichzeitig diese voranzutreiben und Scheinlösungen zu verhindern – und empfehlen dafür ihre Sammlung von Literaturhinweisen.

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