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    Prof. Dr. Dirk Messner, Vorsitzender des Wissenschaftlichen Beirats der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen (WBGU) und Direktor des Instituts für Entwicklungspolitik

Klimagipfel: "Ziel ist Null-Emissionen bis 2070"

Was bringt der Klimagipfel in Paris, welche Ergebnisse sind realistisch? Prof. Dr. Dirk Messner, Direktor des Deutschen Instituts für Entwicklungspolitik und Vorsitzender des Wissenschaftlichen Beirats der Bundesregiernung Globale Umweltveränderungen, der ebenfalls in Paris vertreten ist, im Interview.

Welche Erwartungen haben Sie an die Verhandlungen in Paris?

Dirk Messner: Ziemlich eindeutig ist, dass mit den Beschlüssen, die wir in Paris im besten Fall bekommen, das Zwei-Grad-Ziel der maximalen globalen Erwärmung noch nicht gesichert ist. Mit all den Zusagen zu freiwilligen Emissionsminderungen, die wir bis jetzt aus über 170 Ländern haben, kommen wir ungefähr auf 2,7 Grad Celsius mehr Erwärmung. Das ist viel besser als die 4,5 Grad, bei denen wir vor gut einem Jahr standen, als die Staaten anfingen, Reduktionen anzumelden. Wenn es jetzt gelänge, das in einen Vertrag zu gießen, würden wir zwar einen Schritt nach vorn machen, aber das Gesamtproblem damit noch nicht lösen.

Wie ließe es sich in Paris lösen?

Die Kernherausforderungen bestehen in zwei Punkten: Man muss einerseits Mechanismen schaffen, mit denen man das Ergebnis von 2,7 bis 3 Grad Erwärmung, auf das wir jetzt zusteuern würden, in den nächsten Jahren nachschärfen kann. Dazu müsste man Review-und Monitoring-Mechanismen vereinbaren müsste, mit denen die Staaten zeigen müssten, wie sie die noch offenen Lücken zum Zwei-Grad-Ziel schließen. Das weitere wäre, dass wir ein terminiertes Langfristziel für die globale Erwärmung und die Dekarbonisierung vereinbaren. Ein vernünftiges Ziel wäre, wenn sich die Staatengemeinschaft mit einem Vertrag daran orientieren würde, bis etwa 2070 die Emissionen für die Energieproduktion auf Null zu reduzieren. So erhält man eine Langfristperspektive, auf die sich dann auch Unternehmen einstellen können und für sie Erwartungssicherheit entsteht.

Das Langfristziel wäre dann immer noch das Zwei-Grad-Ziel?

Genau. Damit wir das erreichen, müssten wir irgendwann um 2070 bei Null-Emissionen Kohlendioxid sein, das kann man aufs Jahr genau nicht festlegen. So etwas im Vertrag stehen zu haben, wäre eine große Hilfe. Bis jetzt haben sich die Staaten zunächst einmal verpflichtet, bis 2030 bestimmte Reduzierungen anzusteuern – das ist gut – wir sollten aber wissen, wo wir 2070 insgesamt landen müssen. Wir nennen es das Neutralitätsziel.

Damit das tatsächlich erreicht wird, müsste ein Vertrag aber bei Nichterfüllung der Ziele auch Sanktionen enthalten – oder würden die beabsichtigten Reduzierungen ausreichen?

Wir werden keinen Vertrag bekommen, in dem Sanktionen festgeschrieben werden. Das werden weder die USA noch China unterschreiben – und eine ganze Reihe anderer Staaten auch nicht. Was wir bekommen, sind freiwillige Selbstverpflichtungen der Staaten, und was wir dann völkerrechtlich vereinbaren können, sind entsprechende Monitoringmechanismen. Mit denen überprüfen wir, ob die Staaten umsetzen, was sie versprochen haben. Und wir können Mechanismen erhalten, mit den wir uns darauf verständigen, was man tut, damit man die Lücke zu dem Zwei-Grad-Ziel sukzessive schließen kann. Also zum Beispiel sollten wir alle zwei bis fünf Jahre obligatorisch für jedes Land den Monitoringprozess durchführen. Wir könnten vereinbaren, dass die Länder Roadmaps vorlegen, mit denen sie ihre Ziele auch tatsächlich zu erreichen gedenken, so dass sie nicht nur hehre Ziele nennen, sondern damit auch umsetzbare Strategien verbinden. Die Festlegung, in welchen Sektoren diese Ziele erreicht werden sollen, auf solche Mechanismen werden wir uns einigen können. Aber wir werden keine Sanktionen sehen, leider. Natürlich wäre ein internationales Sanktionsregime das beste, aber das ist im Augenblick nicht machbar.

Ist das wahrscheinlich, dass es zu einem so gestalteten Vertrag in Paris kommt oder ist das Ihre Wunschvorstellung?

Also die beiden genannten Kernherausforderungen sind noch im Verhandlungsprozess. Das ist  keineswegs gesichert. Was wir sehen werden, wird eine Zusammenstellung der jetzt schon gemeldeten freiwilligen Reduzierungsverpflichtungen der Staaten sein. Das wird das Grundmaterial des Vertrages sein und dazu wird es irgendeinen Monitoringmechanismus geben. Aber der kann ja unterschiedlich detailliert und bindend oder auch ganz locker gestrickt sein. Wenn wir zum Beispiel festschreiben könnten, wie Dekarbonisierungsfahrpläne für alle Staaten auszusähen hätten, wäre das ein viel stärkeres Instrument als die Festlegung, dass die Staaten eine Dekarbonisierungsstrategie vorlegen, wie sie ihnen vorschwebt. Das kann sehr unkonkret sein, es kann aber auch sehr konkret sein. Wie verbindlich das sein wird, wie genau die Vorschriften sein werden, an die die Staaten sich halten müssen bezüglich Monitoring und Review ist noch offen – und sehr wichtig zu beobachten. Und ob wir ein Langfristziel bekommen, ist ebenfalls noch unsicher.

Wie sind die Aussichten in Paris für ein vertraglich vereinbartes Langfristziel, das den Ausstieg aus den fossilen Energien markiert?

Wir haben beim G7-Gipfel in Elmau das erste Mal von den G7-Ländern gehört, dass sie im Laufe des Jahrhunderts die Weltwirtschaft dekarbonisieren möchten, also die Kohlendioxid-Emissionen aus der Energieproduktion auf Null fahren wollen. Der Zeitpunkt, den wir bräuchten, um das Ziel wirklich zu erreichen, wäre 2070. Aber ob sich die Nationalstaaten allesamt, nicht nur die G7-Länder, darauf festlegen wollen in diesem Vertrag, das ist noch offen. Wir werden daran später messen können, wie erfolgreich der Prozess in Paris gelaufen ist oder wie dünn der Konsens eben noch ist.

Das Gespräch führte Ralf Bindel. Er sprach mit Herrn Messner vor dessen Abreise nach Paris in der letzten Woche. Inzwischen fordern die deutsche und die französische Verhandlungsdelegation in Paris das 1,5-Grad-Ziel.

In der nächsten Ausgabe des factory-Magazins wird es um das Thema Handel(n) gehen, also auch um Handlungs- und Handelsfähigkeit im Post-Paris-Klimaregime, ebenfalls mit Prof. Messner.

Mehr zu den Auswirkungen des Klimawandels auf Meeresspiegel und Wasserhaushalt und wie Menschen und Unternehmen dem weltweit begegnen im factory-Magazin Baden gehen und teilweise online.

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