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Frauen leisten 80 Prozent der Sorgearbeit

Mit dem Equal Care Day wollen die Initiatorinnen auf die mangelnde Wertschätzung von Fürsorgearbeit aufmerksam machen: Um Kinder, Haushalt, Kranke und Alte kümmern sich meist Frauen, sowohl im professionellen und noch mehr im privaten Bereich.

Der Equal Pay Day ist inzwischen ein Begriff. Gleicher Lohn für gleiche Arbeit, dieses Ideal ist noch lange nicht erreicht. Rund 22 Prozent verdienen Frauen in Deutschland weniger als Männer. Der Equal Pay Day, in jedem Jahr so um 20. März begangen, soll darauf aufmerksam machen. Hierzulande gibt es ihn seit 2008, in den USA erfanden ihn Frauenrechtlerinnen schon 1966.

Analog zum Equal Pay Day wird heute erstmals der Equal Care Day begangen. Die Initiatorinnen sind die Autorinnen Almut Schnerring und Sascha Verlan, die auch vom Frauenrat und von Prominenten wie Sibylle Berg, Anke Domscheit-Berg, Katja Kipping und Sookee unterstützt werden. Selbst dem Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend ist der Tag ein Grußwort wert. Denn neben der ungerechten Bezahlung von Frauenarbeit zeigt vor allem auch die unfaire Verteilung der Sorgearbeit die Schieflage der so genannten Gerechtigkeit der Geschlechter auf. Mit dem Equal Care Day soll sich das Bewusstsein in der Gesellschaft verbessern, dass Fürsorge- und Pflegearbeit, das Sich-Kümmern um Kinder, das Pflegen von Alten, Kranken und Behinderten, mehr Wertschätzung und mehr Honorar verdient – schließlich ist die Arbeit mit Menschen die wertvollste Arbeit überhaupt.

Vier Jahre brauchen Männer in Deutschland, um die Care-Arbeit zu leisten, die Frauen in einem Jahr leisten, also zum Beispiel bereits im Jahr 2012 geleistet haben. Im Privaten wie im Professionellen erledigen 80 Prozent der Sorgearbeit Frauen. Deswegen wird es den Equal Care Day auch nur alle vier Jahre in den Schaltjahren geben, jeweils am 29. Februar, dem so genannten Schalttag.

Bis heute wird die professionelle Sorgearbeit mit Menschen gegenüber der zumeist von Männern geführten Arbeit an Maschinen strukturell geringer bewertet. Sichtbar wird dies auch durch die geschlechtsspezifische Entgeltlücke. Denn weil auch die unbezahlte Sorgearbeit überwiegend von Frauen geleistet wird, entsteht so eine Konkurrenz der unbezahlten zur bezahlten Arbeit. Warum gut bezahlen, was an anderer Stelle umsonst geleistet wird? Der tatsächliche gesellschaftliche Wert der Milliarden Stunden unbezahlter Sorgearbeit taucht in volkswirtschaftlichen Berechnungen und in den Sozialkassen nicht auf - und die Lohnlücke unterbezahlter Erwerbsarbeit auch nicht. "Die Geringschätzung von Frauen und ihrer Arbeitsleistung führt zu Entgeltdiskriminierung – und zum Equal Care Gap. Ein Teufelskreis, den wir endlich durchbrechen müssen", sagt Hannelore Buls, Vorsitzende des Deutschen Frauenrats, anlässlich des ersten Equal Care Day.

"Was ist meine Arbeit wert?", das Motto des diesjährigen Equal Pay Day am 19. März 2016 präsentierte Bundesministerin Manuela Schwesig bereits im November. Die Frage gilt ganz besonders für Care-Ressourcen. Die Antwort ist bestimmt von etablierten Strukturen. Dabei gerät aus dem Blick, dass in wohlhabenderen Familien, in denen die Erwerbstätigkeit auf beide Elternpaare verteilt wird, viele Aufgaben aus dem Carebereich schlicht ausgelagert und häufig an Frauen mit Migrationshintergrund abgetreten werden.

Die Initiatorinnen plädierend deswegen dafür, dass gesellschaftliche und arbeitsrechtliche Rahmenbedingungen geschaffen werden, damit Carearbeit nicht länger ein Armutsrisiko bedeutet. Aktuell werden professionelle Tätigkeiten in diesem Bereich schlecht bezahlt, Versicherungen wie die für Hebammen sind kaum mehr zu finanzieren, und Auszeiten im Beruf verschlechtern nicht nur den aktuellen Verdienst und die Karrierechancen, sondern auch die späteren Rentenansprüche und führen zu finanzieller Abhängigkeit.

Die Auswirkungen dieser Ungleichverteilung betrifft insbesondere auch Männer. Sie trifft sie nicht nur moralisch, weil sie einen Großteil ihrer Verpflichtung und Verantwortung abgeben, sondern auch persönlich. Viele Männer jenseits der Berufstätigkeit bedauern, sich früher nicht mehr Zeit für ihre Kinder, für ihre Familie genommen zu haben. Im Vergleich zu Frauen haben sie eine um fünf Jahre kürzere durchschnittliche Lebenserwartung - Ursache dafür ist nicht zuletzt ein weniger rücksichtsvolles Verhältnis zum eigenen Körper (schlechtere Ernährung, Krankheitszeichen werden später wahrgenommen/ignoriert, riskanteres Verhalten, höherer Drogenkonsum, erhöhtes Suizidrisiko). Das trifft vielleicht nicht individuell zu, statistisch aber schon.

Wie der CareGap Mädchen und Jungen schon in die Wiege gelegt wird und wie die Industrie mit Rollen- und Klischeebildern arbeitet, um geschlechtsspezifische Produkte und Dienstleistungen anzubieten, beschreibt factory im kostenlosen PDF-Magazin /-in und online zum Beispiel in Prinzessinenzahnpasta und Piratensuppe. In der Gender-Ausgabe der factory wird auch die Bedeutung der Geschlechtergerechtigkeit für eine insgesamt umwelt- und menschengerechte Gesellschaft deutlich.

Bild: Hans-Michael Tappen, Flickr.com

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