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Europaweit eine Million Unterschriften gegen Glyphosat anerkannt

Glyphosat ist mengenmäßig das bedeutendste Unkrautbekämpfungsmittel der Welt. In der EU wird um die Wiederzulassung gestritten, seit das Herbizid unter Krebsverdacht steht und es als gesundheitsgefährdend gilt. Nun haben Aktivisten im Rahmen einer Europäischen Bürgerinitiative über eine Million Unterschriften gesammelt, so dass das EU-Parlament die Argumente der Gegner anhören muss.

Hinter Glyphosat steht die Macht von mehr als 90 Chemieunternehmen in 20 Ländern, die weltweit produzierte Menge stieg zuletzt 800.000 Tonnen. Es ist eines der effektivsten und am wenigsten toxischen Pflanzenvernichtungsmittel und wird weltweit zur Unkrautbekämpfung und Reifebeschleunigung eingesetzt. Aufgrund des massiven Einsatzes ist es im Grundwasser und in Lebewesen nachzuweisen und steht im Verdacht Krebs auszulösen. Eine Frau in Frankreich hat in den ersten Schwangerschaftswochen Glyphosat zur Unkrautbekämpfung verwendet und ein behindertes Kind zur Welt gebracht, sie klagt mit ihrem Mann gegen Monsanto, einem der größten Hersteller von Glyphosat-Produkten. Monsanto muss sich in Europa mit zehn Anzeigen auseinandersetzen.

Neben der vermuteten Krebsgefahr beschleunigt das Totalherbizid das Artensterben, indem es unerwünschte Pflanzen wie Disteln, Eisenkraut, oder Nachtkerze komplett vernichtet – wichtige Futterpflanzen für Schmetterlinge, Hummeln oder Bienen. Da die Zahl der Insekten schwindet, sind auch Vogel- und Amphibien-Arten durch die industrialisierte Landwirtschaft massiv bedroht.

Monsanto hat natürlicherweise ein großes Interesse, dass auch die Gutachten der europäischen Zulassungbehörde positiv ausfallen, also keine etwaige Gesundheitsgefährdung festgestellt wird. Nun kam aber heraus, dass das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR), das für die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (Efsa) die Chemikalienzulassung prüft, große Teile ihres Berichts aus Monsanto-Studien übernommen hat, ohne dies kenntlich zu machen, was wissenschaftlich nicht korrekt ist. Und natürlich ergab das Prüfergebnis, dass das BfR Glyphosat als nicht krebserregend einstuft.

Zumindest die Zivilgesellschaft bläst der Agrochemieindustrie ein bisschen Wind ins Gesicht. Heute bestätigte die Europäische Kommission den Erhalt von 1.072.426 zertifizierten Unterschriften für ein Verbot des Pestizids Glyphosat. Seit Februar hatte ein breites Bündnis aus Umweltorganisationen und Netzwerken in 28 Ländern im Rahmen der Europäischen Bürgerinitiative (EBI) Protest-Unterschriften gesammelt. Drei Monate haben die EU-Länder die Korrektheit der Angaben geprüft. Die Organisatoren der EBI erstritten sich so das Recht, ihre Argumente während einer Anhörung im EU-Parlament vorzubringen. Die Kommission muss schriftlich Stellung beziehen. Die aktuelle Zulassung für Glyphosat läuft Mitte Dezember aus.

"Die Bürgerinnen und Bürger, die das Verbot unterstützen, zweifeln zurecht an der Unbedenklichkeit von Glyphosat", sagt Maria Lohbeck von Campact. "Wenn das Bundesamt für Risikobewertung direkt aus Unterlagen des Herstellers Monsanto abschreibt und sich das EU-Parlament gegen die Lobbyisten des Chemie-Giganten nur wehren kann, indem sie ihnen den Zugang verweigert, dann ist klar, dass die Konzerne hier alle Register ziehen. Dann können Mensch und Natur nur durch ein Verbot geschützt werden." Die EU-Regeln sehen vor, krebsauslösende Stoffe zu verbieten. Glyphosat steht im Verdacht, das Wachstum von Tumoren zu begünstigen.

Die EBI, die Campact unterstützt, fordert neben dem Verbot EU-weite obligatorische Pestizid-Reduktionsziele und eine von der Industrie unabhängige wissenschaftliche Bewertung von Pestiziden. Eine erste Abstimmung über die weitere Zulassung von Glyphosat wird es wahrscheinlich Ende Oktober geben. Die deutsche amtsführende Regierung aus SPD und Union müsste sich wieder enthalten, da die SPD Glyphosat ablehnt und die Union den Einsatz fortsetzen will. Die Vorwürfe gegen das Bundesamt für Risikobewertung (BfR), keine eigenständige Bewertung der Gefahren durch Glyphosat vorgenommen zu haben, erhärten sich. Gestern präsentierte der Plagiatsprüfer Dr. Stefan Weber zusammen mit der Umweltorganisation Global 2000 und dem Pestizid Aktions-Netzwerk Pan Germany Detailauswertungen über seitenweise abgeschriebene Passagen aus Monsanto-Studien in Dokumenten der BfR.

Bild: Riesen-Schmetterlinge symbolisieren die Gefahr für die Artenvielfalt durch das Pestizid Glyphosat – Aktion zum Start der europaweiten Verbots-Initiative im Februar 2017. Bild: Jakob Huber, Campact

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