Wir müssen reden

Schön und gut, aber ...

Das richtige Design zur rechten Zeit. Über die Herausforderungen, Nachhaltiges zugänglich und verständlich zu kommunizieren, ohne zu banalisieren.

Von Elmar Sander

Ändert ein Unternehmen sein mitunter jahrzehntelang funktionierendes Logo, so hat dies in der Regel gewichtige Gründe. Die Farbe eines Signets spielt eine Schlüsselrolle hinsichtlich Wiedererkennung, Kundenbindung und Vertrauensbildung. Als McDonald's 2009 dem markanten gelben „M“ einen dunkelgrünen Hintergrund anstelle des gewohnten knalligen Rot verpasste, nannte das der stellvertretende Deutschland-Chef der Fast-Food-Kette ein „Bekenntnis zur und Respekt vor der Umwelt“ sowie Ausdruck von „Verantwortung gegenüber dem Erhalt natürlicher Ressourcen“.

Die Geschäftsleitung distanzierte sich später von dieser Aussage, doch wirft die Anekdote ein Licht darauf, wie wichtig die Kommunikation von Nachhaltigkeit mittlerweile geworden ist – und wie sie durch ein oberflächliches Designverständnis zur banalen Wohlfühl-Floskel des Zeitgeistes degradiert werden kann. Und tatsächlich: In Zeiten, in denen auch ein Textil-Konzern wie kik nicht mehr um einen 70-seitigen Nachhaltigkeitsbericht herumkommt und die Startseite der Internetpräsenz des Öl-Multi Shell als obersten Punkt im Navigationsmenü „Umwelt und Gesellschaft“ aufführt, ist nachhaltiges Kommunikationsdesign ins Sichtfeld der Unternehmenskommunikation gerückt. Doch sowohl dem Begriff der Nachhaltigkeit als auch dem Designbegriff wohnt je nach Blickwinkel eine gewisse Unschärfe inne, die leicht zu semantischer Überfrachtung verführt.

Verstünde man Design lediglich als ästhetische Disziplin, so diente das Kommunikationsdesign nur der dekorativen Aufhübschung von grafischen und textlichen Oberflächen, dem Übertünchen und Polieren fragwürdiger Konsumaufforderungen. Nachhaltigkeit dagegen beinhaltet das Denken in komplexen Zusammenhängen und die Berücksichtigung vielschichtiger Prozesse. Die Debatten um Ressourceneffizienz, ökologische Rucksäcke und Suffizienz spielen sich in der Tiefe ab, und erreichen nur gelegentlich das Tageslicht breiterer Gesellschaftsschichten und -milieus. Wie können Kommunikationsdesign und Nachhaltigkeit also zusammenkommen?

Im besten Fall verbindet nachhaltiges Kommunikationsdesign beides: Es macht jenseits von Ästhetisierung sichtbar, was sich in den Untiefen vielschichtiger Zusammenhänge verbirgt. Es bringt Komplexität an die Oberfläche, ohne ihr die Tiefe zu nehmen. Es fördert nachhaltige Lebensstile, ohne damit zu blenden. In dieser Ambivalenz der Vermittlungsleistung liegen Herausforderungen, wie die beiden folgenden Werbekampagnen verdeutlichen.

Pyrrhussieg der Nachhaltigkeitskommunikation: TetraPak

Vor wenigen Jahren überraschte TetraPak mit einer großangelegten Kampagne, die ganz auf die Nachhaltigkeitskarte setzte und damit trend- und stilbildend werden sollte (wie auch die Energieriese-Kampagne von RWE 2010). Im TV-Spot erläutert ein Hase mit Brille („Hallo, Menschen!“) zunächst anhand der Beispiele Getreide und Wolle die Vorteile nachwachsender Rohstoffe, um schließlich als dramaturgischen Höhepunkt die Nachhaltigkeit der TetraPak-Verpackungen zu preisen. Denn, so klärt uns das belesene Langohr auf, „auch die bestehen überwiegend aus einem nachwachsenden Rohstoff, nämlich [retardierende Kunstpause] Holz! Das macht sie besonders umweltfreundlich. Denn Zukunft hat nur, was nachwächst“.

Die Kommunikation von Ressourcensensibilität hat also aus Sicht des Unternehmens einen höheren Effekt auf die positive Wahrnehmung des Produkts als mögliche funktionale Argumente – in diesem Fall z. B. geringes Gewicht, benutzerfreundliche Verschlüsse, Lichtundurchlässigkeit oder Robustheit im Vergleich zu Glasflaschen. Inhaltlich ist der Spot bedenklich simplifizierend. So ist Holz zwar ohne Zweifel ein nachwachsender Rohstoff, das macht das Abholzen von Wäldern und die damit verbundene Zerstörung von Ökosystemen aber noch lange nicht per se zum Liebesdienst an der Nachhaltigkeit. Und auch das unscheinbare Wort „überwiegend“ aus der Kampagne bekommt einen Beigeschmack durch das mit der Polyethylenschicht verbundene Aluminium.

Das Umweltbundesamt sieht die Ökobilanz nicht signifikant im Vorteil gegenüber anderen Verpackungen und die Deutsche Umwelthilfe reichte sogar Klage wegen irreführender Werbung ein. Die eigentliche Pointe aber ist, dass die Kampagne tatsächlich ein Imageerfolg wurde, der bis heute wirkt. TetraPak gelang es durch die unbeschwerte, fröhliche Verniedlichung der Nachhaltigkeit, positive Assoziationen der Marke in den Köpfen der Konsumenten zu etablieren – auf Kosten der Seriosität des Nachhaltigkeitsbegriffes.

Die Krux mit der Komplexität: Pro Planet

Die meisten Bio- und Nachhaltigkeitssiegel gehen den multidimensionalen Wechselwirkungen im Spannungsfeld von Ökologie, Ökonomie und Gesellschaft aus dem Weg, indem sie sich thematisch auf bestimmte Produktkategorien beschränken. So weiß der Verbraucher: FSC steht irgendwie für nachhaltiges Papier, MSC für Fisch, der ruhigen Gewissens erworben werden kann. Einen innovativen, anspruchsvollen Weg versucht Rewe derzeit mit dem Pro Planet-Label zu beschreiten. Pro Planet soll als „Navigationssystem für nachhaltigere Produkte und Dienstleistungen“ fungieren. Dabei werden „alle Nachhaltigkeitsaspekte entlang der gesamten Wertschöpfungskette berücksichtigt“.

Der Zertifizierung liegt ein elfstufiger Prozess zugrunde, von der Produktauswahl über HotSpot-Analyse und Machbarkeitsabschätzung bis hin zur kontinuierlichen Verbesserung nach Abschluss des Zertifizierungsverfahrens. Im Gegensatz zur überschaubaren inhaltlichen Tiefe der TetraPak-Kampagne haben wir es hier mit einem fundierten Ansatz zu tun – was den Adressanten überfordern könnte und ein erfolgreiches Kommunikationsdesign daher vor Schwierigkeiten stellt. Dieser Auffassung ist offensichtlich auch Rewe und versucht mit der aktuellen Kampagne „Sei ein Teil von Gut“ gegenzusteuern. Mit den Spots wird allerdings genau der seichte Nachhaltigkeitsbegriff bedient, der dem wissenschaftlichen Anspruch von Pro Planet nicht gerecht wird.

Der Protagonist wird allein durch das Tragen einer Pro Planet-Papiertüte als ein „Guter“ identifiziert, was Nachhaltigkeit im Wortsinne zur bloßen Etikette werden lässt. Durch den Slogan „Sei ein Teil von Gut“ wird nachhaltiges Konsumieren zum diffus-moralischen Heilsversprechen einer auf Gut und Böse reduzierten Welt. Die exemplarische Nennung von konkreten, rational argumentierten Inhalten am Ende der Spots („... zum Beispiel mit Pro Planet Äpfeln, von Obstbauern, die sich für den Schutz von Bienen einsetzen.“) ist zumindest ein kleiner, wünschenswerter Schritt weg von der moralisierenden Verklärung der Nachhaltigkeitskommunikation.

Den Wandel mitgestalten

Für Kommunikationsdesigner, deren Aufgabe in der Vermittlung von möglichst präzisen Aussagen und eindeutig zu decodierenden Botschaften besteht, bedeutet Nachhaltigkeit demnach ein ständiges Abwägen zwischen Komplexität und Simplifizierung. In der inflationär von Trendbegriffen umwehten Design­branche wird diese Herausforderung neuerdings auch als Simplexity oder Simplexität tituliert. Im etymologischen Sinne findet also eine Auffaltung von vielschichtigen Informationen statt, um am Ende faltenfrei dazustehen.

Die eingangs erwähnte semantische Unschärfe der Begriffe Nachhaltigkeit und Design birgt nicht nur Herausforderungen, sondern auch das Potenzial, in ihnen einen partizipativen Prozess zu sehen. Der Nachhaltigkeitsdiskurs ist ebenso wie der Designdiskurs in ständigem Wandel und stetiger Entwicklung. „Nachhaltigkeit“, so formuliert es der Designtheoretiker und -vordenker Siegfried Maser, „bedeutet einen Paradigmenwechsel für das Design“. Das Design, so möchte man hinzufügen, kann als Kommunikator nachhaltiger Lebens-, Konsum- und Produktionsstile selbigen für die Popularisierung und gesellschaftliche Verankerung des Nachhaltigkeitsbegriffes bedeuten, sofern es dabei nicht in allzu seichten Gewässern strandet.

Elmar Sander lehrt nachhaltiges Kommunikationsdesign an der Ecosign-Akademie in Köln. Als Designer, Projektkoordinator und Dozent begleitet er Unternehmen und Institutionen wie das Umweltprogramm der Vereinten Nationen (UNEP), das SWITCH-Asia Programm der Europäischen Union und Greenpeace.

Mehr Beiträge zum Thema Kommunikation und Kooperation gibt es nicht nur online, sondern auch in unserem Magazin Wir müssen reden. Das ist wie immer schön illustriert und vor allem gut lesbar auf Tablet-Computern und Bildschirmen und enthält zudem sämtliche Beiträge und Fotos sowie Zahlen und Zitate.

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