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  • Prof. Dr. Ernst-Ulrich von Weizsäcker im Interview für Faktor-X.info

Weizsäcker für globale Umweltpolitik ohne USA

Nach dem Gipfel ist vor dem Gipfel. Wohl kaum. Der Nachhaltigkeitsgipfel Rio+20 lässt die Umweltengagierten enttäuscht zurück. Statt nach dem Null-Ergebnis aufzugeben, fordert der ehemalige Präsident des Wuppertal Instituts Ernst-Ulrich von Weizsäcker entschlossene Klimapolitik von Asien und Europa - gegen die USA. Auch der Rat für Nachhaltige Entwicklung appelliert an das nachhaltige Europa.

In einem Standpunkt für die Süddeutsche Zeitung macht der Physiker und SPD-Politiker seiner Enttäuschung Luft. Weizsäcker, der selbst beim Gipfel dabei war, spricht von einem konkreten "Null-Ergebnis". Nur mit Mühe sei verhindert worden, dass das 20 Jahre zurückliegende Ergebnis des ersten Rio-Gipfels 1992 zerpflückt wurde.

Genau ein solches Rio-minus-20 hätte aber Brasilien, den USA und fast allen Entwicklungsländern gefallen. Weizsäcker gibt gerade letzteren die Schuld am Scheitern des Gipfeltreffens. "Wirtschaft, Wachstum, Freihandel waren deren Agenda, Nachhaltigkeit nur noch ein Tarnwort. Die Umwelt galt den meisten Verhandlern nur noch als Störenfried im Wachstumsrausch", schreibt er.

Interesse, aber nichts Konkretes

Nur wenig Positives lässt Weizsäcker gelten. Dazu gehören die Verankerung der Technikfolgenabschätzung auf UN-Ebene als wünschenswert und das "Gutheißen" einer Wohlstandserfassung jenseits des Bruttoinlandsprodukts BIP, dem rein ökonomischen Wachstumsindex. Dazu habe es im Lager der neun "Major Groups", die Frauen, Arbeitnehmer, Umweltgruppen, Indigene, Wissenschaft und andere vertraten, auch einen vielversprechenden Vorschlag gegeben. Gegen den Vorschlag der acht Gruppen sei nur die neunte gewesen, die Major Group Business.

Weizsäcker bedauert weiter, dass der Vorschlag, das UN-Umweltprogramm UNEP von einem Projekt zu einer echten Organisation gegen den Widerstand der USA nicht durchkam. "Neue Organisationen sind nicht im Interesse Amerikas. Dieser Standardsatz genügt für das US-amerikanische Veto. Seit Ronald Reagan in den frühen 1980er Jahren haben die USA aufgehört, internationale Vereinbarungen zu wollen." Der Physiker schiebt es auf den Wahlkampf in den USA, dass weder US-Präsident Obama in Rio auftauchte, noch das die US-Delegation irgendetwas anderes als das Scheitern des Gipfels wollte.

Europa und Asien gegen die USA

Die Resignation nach dem Null-Ergebnis sei aber genau das, was konservative US-Amerikaner wollen. Ihrer Meinung nach sollten die Märkte entscheiden, wohin die Welt steuere, so die Ausrede der Verhandlungssaboteure. "Wenn sich diese Stimmung weltweit durchsetzt, war es ein wirklicher Katastrophengipfel, nicht nur ein Null-Gipfel", warnt Weizsäcker.

Die Perspektive sieht der Gründungs-Präsident des Wuppertal Institut in einer Allianz der Willigen. Wer den US-amerikanischen Lifestyle pflegen wolle, sei auf billiges Öl angewiesen. Das gehe aber mit Peak Oil zu Ende. Ihren diesbezüglichen Vorteil sollten Asien und Europa weiter ausbauen. "Ich plädiere für eine Verfünffachung der Energie- und Ressourcenproduktivität. Wer da die Nase vorn hat, braucht den Welthandel nicht zu fürchten", so Weizsäcker in der SZ-Online.

Großkonferenzen ohne Ärger

Würden sich Asien und Europa auf eine solche ressourceneffiziente Wirtschaftspolitik einigen, stiege der Markt für grüne Technik sprunghaft, prognostiziert der Politiker. "Das Nachsehen haben die, die uns in Rio+20 ständig geärgert haben, und es bleibt ihnen auf Dauer keine andere Wahl als mitzumachen."

Man könne dann auch weiter zu Großkonferenzen zusammen kommen, so Weizsäcker. Die seien durchaus nützlich für die Bewusstseinsbildung, Anstandsregeln und technische Standards. Halbwegs konkrete Ergebnisse, umgesetzt durch die Allianz der Willigen, müssten aber auch sein. Schließlich würden sie die Gewinner.

Weizsäcker hatte die Allianz der Willigen schon vor dem Rio-Gipfel der FAZ genannt. "Wenn wir wieder etwas gelten wollen, müssen wir das Euro-Problem lösen und in der Umweltpolitik eine Allianz mit den Asiaten bilden." Seine Lieblingsformel "Warten wir nicht länger auf die Amerikaner" nannte er auch dort.

Europäische Nachhaltigkeitsstrategie gefordert

In einem gestern veröffentlichten englischsprachigen Statement zieht der Rat für Nachhaltige Entwicklung (RNE) eine Bilanz des Rio+20-Gipfels. Darin zeigt sich auch der Generalsekretär des Rats, Dr. Günther Bachmann, enttäuscht von den Ergebnissen, besonders, weil aufgrund der Verschiebung der geopolitischen Machtverhältnisse eigentlich "mehr drin" gewesen wäre.

Nationale Interessen überwiegten jedoch beim Streit um globales Management des Wandels. Dennoch sieht der RNE offenbar einen weiterhin positiven Impuls von Rio+20 ausgehen. Die Sustainable Development Goals, die Weizsäcker auf dem Abstellgleis sieht, sind für den RNE ein Hoffnungsschimmer.

Teilhabe, aber wirkliche

Ebenso unterstreiche Rio+20 die Teilhabe und Partizipationsmöglichkeiten, auch wenn es in Rio wieder zu drei separaten Gipfeltreffen gekommen war - einen für die Verhandelnden, einen für die Wirtschaft und der People Summit für die Betroffenen. Hier müssten Gipfeltreffen nachbessern, so Bachmann.

Schließlich plädiert auch Bachmann für eine stärkere europäische Initiative. Die EU-Strategie für Nachhaltige Entwicklung sei nicht "up to date", auf dem Gipfel hätte sie keine Rolle gespielt. Eine ambitionierte Strategie solle deswegen den Rio+20-Prozess aufnehmen und einen Fahrplan als Gegenmittel zur finanziellen und sozialen Instabilität in Europa entwickeln, mit langfristigen Investitionen und sozialer Teilhabe. Sonst würde Europa nach dem schwachen Auftritt in Rio auch bei den sich weiter verschiebenden geopolitischen Machtverhältnissen an den Rand gedrängt.

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