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Nur ein schneller Kohleausstieg in NRW sichert das deutsche Klimaziel für 2030

Eigentlich ist es schon lange klar, jetzt bestätigen es Modellrechnungen des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) erneut: Meint die Bundesregierung es wirklich ernst mit dem gesetzten Klimaziel, muss sie vor allem im Energiebundesland NRW die alten Braunkohlekraftwerke abschalten und dort regenerative Energien ausbauen.

Es gibt keinen anderen Weg: „Anders als beim Klimaziel für 2020, das bereits als gescheitert gilt, bestehen für 2030 durchaus noch Chancen, die Klimaziele zu erreichen“, sagt die DIW-Energieökonomin Claudia Kemfert. „Aber nur, wenn man mit dem Kohleausstieg so schnell wie möglich beginnt und den Ausbau der erneuerbaren Energien forciert.“ Das zeigen Modellrechnungen eines Teams von Wisstenschaftler*innen um Kemfert, die sie vor dem Hintergrund der anstehenden Tagung der Kohlekommission durchgeführt haben. Diese soll bis Jahresende einen Termin für den Ausstieg vorschlagen. Der Vergleich der Wirkungen unterschiedlicher Ausstiegsszenarien auf die CO2-Emissionen ist daher entscheidend für die Vorschläge der Kommission. Die Mehrheit der Menschen in Deutschland wünscht schon seit mehreren Jahren einen raschen Kohleausstieg.

Stromsektor zentral für das Erreichen der Klimaziele

Die Bundesrepubplik steht vor einem Dilemma: Nach wie vor werden in der Stromerzeugung große Mengen an Braun- und Steinkohle eingesetzt. Bis 2016 waren sie für mehr als ein Viertel der Treibhausgas-Emissionen in Deutschland verantwortlich. Ohne Maßnahmen ist deshalb nicht zu erwarten, dass die Klimaziele der Bundesregierung erreicht werden können: eine Senkung der Emissionen bis 2030 um mehr als 55 Prozent gegenüber dem Jahr 1990.

Drei Szenarien simulieren die Modellrechnungen: Bei einem langsamen Ausstieg (Referenz-Szenario) werden die bestehenden Kohlekraftwerke ausschließlich nach Erreichen ihrer technischen Lebensdauer stillgelegt; dabei werden die Klimaziele für CO2-Emissionen in der Energiewirtschaft auch für 2030 deutlich verfehlt. Bei einem forcierten mittleren Ausstieg wird die gesamte Kohlekapazität bis 2030 auf gut 17 Gigawatt reduziert und werden zusätzlich Kapazitäten gedrosselt. Bei einem forcierten schnellen Ausstieg wird die Gesamtkapazität auf 8,6 Gigawatt reduziert. Sofern gleichzeitig die erneuerbaren Energien den Zielen der Bundesregierung entsprechend ausgebaut werden, können in den beiden letzteren Fällen die Klimaziele 2030 erreicht werden. Bei einer zusätzlichen Begrenzung der jährlichen Laufzeit alter Kohlekraftwerke kann der Stromsektor zudem noch zur Annäherung an das Klimaschutzziel 2020 beitragen.

Außerdem stellten die DIW-Analysen fest: Entgegen häufig geäußerten Befürchtungen heben sich die Effekte auch nicht durch gegenläufige Tendenzen im restlichen Europa wieder auf, sondern es entstehen zusätzliche Anreize für den Ausbau erneuerbarer Energien, weil der günstige Import deutschen Kohlestroms entfällt und etwa die französischen Atom- oder die polnischen Kohlekraftwerke bereits ausgelastet sind.

Achtung NRW: Gerade das traditionelle Energieland müsste zügig aus der Kohle aussteigen

Eine Schlüsselposition nimmt das Bundesland Nordrhein-Westfalen ein. Erstens stehen dort noch sehr viele alte und ineffiziente Kohlekraftwerke, und zweitens liegt NRW gerade beim Ausbau der erneuerbaren Energien im Ländervergleich noch immer sehr weit hinten. Weil NRW der größte Emittent unter den Bundesländern ist, sind hier die Klimaschutzeffekte bei einem Kohleausstieg auch besonders groß. Im Falle eines mittleren Ausstiegspfades reduzieren sich die kohlebedingten Emissionen allein durch die Abschaltung von Braunkohlekraftwerken in NRW bis 2030 um circa 40 Prozent gegenüber dem Referenz-Szenario. Bei einer zusätzlichen Begrenzung der jährlichen Laufzeit aller verbleibenden Kohlekraftwerke sinken die Emissionen um rund 64 Prozent, im Falle eines schnellen Ausstiegs um etwa 69 Prozent. Fazit der DIW-ExpertInnen: Die nordrhein-westfälischen Braunkohlekraftwerke sollten bis 2030, die Steinkohlekraftwerke bis 2040 abgeschaltet werden.

Der Ausstieg aus der Braunkohle würde nicht zuletzt auch dem Landschafts- und Umweltschutz dienen. Claudia Kemfert ist überzeugt: „Der Kohleausstieg in Nordrhein-Westfalen kann so gestaltet werden, dass im Tagebau Garzweiler II keine weiteren Ortschaften weichen müssen und auch der Hambacher Forst größtenteils erhalten bleibt.“

Die Braunkohleverstromung im rheinischen Revier ist besonders ineffizient, weil dort anders als in den Kohlekraftwerken in Stadtnähe nicht auch die entstehende Wärme zur Wärmeversorgung in Fernheiznetzen verwendet wird. In der Liste der größten Kraftwerke sind Neurath, Niederaußem und Eschweiler von RWE mit Jänschwalde und Boxberg der LEAG unter den ersten fünf, zudem gehören sie zu den ältesten. Nach den Modellrechnungen des DIW müssten die ältesten Blöcke von Niederaußem und Neurath auch beim schnellen Ausstieg ab 2020 abgeschaltet werden.

Die Modellrechnungen des DIW entsprechen den Analysen anderer Institute und Thinktanks, wie Wuppertal Institut, Öko-Institut und Agora Energiewende der letzten zwei Jahre. Sämtliche Umweltverbände fordern ein rasches Abschalten der dreckigsten Kraftwerke – neben weiterer Energie-, Verkehrs- und Agrarwende – schließlich ist ein treibhausgasneutrales Deutschland möglich. Auch für die Beschäftigten der Braunkohletagebaue und -kraftwerke gibt es Ausstiegsszenarien, zudem der Ausstieg auch nur geringe Wirkungen auf die Zahl der Arbeitsplätze hat.

Wie sich zum Beispiel das Braunkohlerevier Indeland auf den Ausstieg vorbereitet, lesen Sie im factory-Magazin Besser bauen. Wie das Ende des Abbaus im Osten Deutschlands aussehen kann, behandelt unter anderem das Magazin Divestment

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